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Der fehlende Rückhalt

Österreichs alpinen Abfahrern schlägt am Samstag in einer Woche die Stunde. Denn in Lake Louise beginnt nicht nur endlich der Weltcup, sondern auch die erste Saison nach Michael Walchhofer. Der 36-jährige Salzburger hatte nach der WM-Saison seine Karriere beendet. Ein Nachfolger für den langjährigen ÖSV-Leistungsträger wird fieberhaft gesucht.

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Dass Walchhofers Rücktritt eine Lücke hinterlassen würde, war klar. Daraus machte auch ÖSV-Direktor Hans Pum keinen Hehl. „Wenn ein Athlet wie Walchhofer die Karriere beendet, ist das für eine Mannschaft immer schwierig. Was der alles gewonnen hat“, sagte Pum. Walchhofer sei nicht nur im Rennen ein wichtiger Rückhalt gewesen, auch im Training. „Weil er Anhaltspunkte gibt, er kennt die Passagen und weiß, wie sie gefahren werden müssen, um im Rennen vorne dabei zu sein. Darum wird uns ein Walchhofer fehlen.“

Michael Walchhofer und ÖSV-Rennsportleiter Mathias Berthold

GEPA/Andreas Pranter

Walchhofers (l.) Tipps werden fehlen

ÖSV-Gruppentrainer Andreas Evers teilt diese Sorge nicht ganz - das Weltcup-Karussell soll sich auch ohne den schnellen Hotelier aus Zauchensee weiterdrehen. „Es ist die Chance für die Jungen, seine Fußstapfen zu füllen. Wir hatten schon vergangenes Jahr einige, die auf das Podest gefahren sind“, meinte der 43-jährige Ex-Rennläufer.

Vorjahressieger in Lake Louise

Derzeit holen sich die Speed-Fahrer in Vail und Copper Mountain den Feinschliff für den Saisonstart in Lake Louise. Dort hatte im Vorjahr ausgerechnet Walchhofer gewonnen. Diesmal wird er das Rennen aus sicherer Distanz vor dem Fernseher verfolgen. In seiner Abschiedssaison hatte Walchhofer neben Lake Louise noch die Abfahrt in Bormio für sich entschieden und die kleine Kristallkugel letztlich doch dem Schweizer Didier Cuche überlassen müssen.

ÖSV-Rennsportleiter Mathias Berthold war über Walchhofers Abschied jedenfalls nicht glücklich. „Mit ihm ging uns ein wichtiger Mann verloren. Nicht nur aufgrund seiner Erfolge, sondern weil er als Mensch in der Mannschaft einen hohen Stellenwert gehabt hat. Er hat extreme Anerkennung von den Mannschaftskollegen genossen. Junge Burschen konnten von ihm, was die professionelle Vorbereitung betrifft, viel lernen“, bestätigte der Vorarlberger, der in seine zweite Saison als ÖSV-Herren-Chef startet.

Wer tritt Walchhofers Erbe an?

Einer dieser hoffnungsvollen Jungen neben u. a. dem Kärntner Max Franz ist Walchhofers Salzburger Landsmann Joachim Puchner. Beim Finale der vergangenen Saison in Lenzerheide schaffte Puchner als Zweiter erstmals den Sprung aufs Abfahrtspodium, im Kvitfjell-Super-G wurde er im selben Jahr Dritter. Nach übereinstimmender Meinung der ÖSV-Verantwortlichen habe der 23-Jährige alle mentalen und körperlichen Voraussetzungen, um Weltcup-Rennen in der Abfahrt zu gewinnen.

Das wollen in dieser Saison erstmals auch die rekonvaleszenten Mario Scheiber und Georg Streitberger sowie Romed Baumann - das 24-jährige Langzeittalent wurde in Gröden im Vorjahr Zweiter und belegte in der WM-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen als bester ÖSV-Starter den vierten Platz, womit er die Hoffnungen auf seinen Durchbruch in den kleinen Kreis der absoluten Weltspitze aufs Neue schürte. Dort ist Klaus Kröll längst angekommen. Der 31-jährige Steirer könnte an seinen Vorjahressieg in Wengen anschließen.

ÖSV-Läufer Joachim Pucher

GEPA/Andreas Pranter

Puchner sucht noch den „perfekten Schwung“

Mischung aus Routine und Jugend

Doch Walchhofer bleibt allgegenwärtig. Mit insgesamt 19 Weltcup-Siegen und drei kleinen Kristallkugeln im Abfahrtsweltcup war er über Jahre das Rückgrat der ÖSV-Herren in den schnellen Disziplinen neben Hermann Maier. Zudem wartet der ÖSV seit Walchhofers WM-Triumph in St. Moritz 2003 auf Gold seiner Speed-Herren bei einem Großereignis. Dem zollt auch Puchner Respekt. „Wenn so einer dann unser Team verlässt, ist es natürlich eine große Lücke, die zurückbleibt", sagte der Salzburger.

"Aber wir haben eine sehr kompakte Mannschaft mit routinierten und jungen Läufern, und da werden wir hoffentlich so weitermachen, wie wir aufgehört haben - mit Siegen und Stockerlplätzen“, so Puchner. Bei ihm wie auch bei seinen ÖSV-Kollegen überwiegt auch im Jahr eins nach Walchhofer Zuversicht. Puchners eigene Ambitionen sind klar, er strebt seinen Premierensieg im Weltcup an - auch ohne perfekten Schwung. „Den habe ich noch nicht. Aber ich bin auf dem richtigen Weg, und es wird hoffentlich bald hinhauen.“

Erfolge im fortgeschrittenen Alter

Während Puchner mit 23 Jahren noch jung ist, zählt Scheiber, der seine Karriere in der vergangenen Saison nach einem weiteren schweren Sturz schon beenden wollte, als 28-Jähriger zu den arrivierten Fahrern. Gewonnen hat auch er noch nichts. Immerhin kämpfte er sich erneut vom Spital zurück auf die Piste. Nun spreche das fortgeschrittene Alter für ihn, feierte doch auch Walchhofer noch als Routinier große Triumphe. „Deshalb sollte auch bei mir die Zeit der Erfolge endlich kommen“, sagte Scheiber - stellvertretend für einige seiner Teamkollegen.

Michael Fruhmann,ORF.at

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