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„Das war einer Austria unwürdig“

„Keine leichte, aber eine notwendige Entscheidung. Wir haben keine entsprechenden Ergebnisse erzielt“, mit diesen Worten begründete Austrias Sportvorstand Thomas Parits drei Tage vor Weihnachten die Trennung von Coach Karl Daxbacher. Dem längstdienenden Austria-Trainer seit 40 Jahren wurde die schwache Leistung von nur einem Sieg in den letzten neun Ligaspielen der Herbstsaison zum Verhängnis.

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Als Nachfolger wurde Ivica Vastic präsentiert. Der neue Besen kehrte allerdings nur kurzfristig halbwegs gut, ehe die Austria neuerlich eine Talfahrt antrat, die am Samstag in einer Blamage bei Kapfenberg gipfelte. Die zweite 0:1-Niederlage gegen das Schlusslicht im Frühjahr war das i-Tüpfelchen der fußballerischen Magerkost, die die Wiener seit der Amtsübernahme von Vastic bieten. Vor allem die Art und Weise, wie die Wiener in Kapfenberg untergingen, erregte die Gemüter.

„Der Tabellenletzte hat uns gezeigt, wie man Fußball spielen muss“, ärgerte sich Michael Liendl. „Das war eine katastrophale Leistung. Das war inakzeptabel. Wir haben 90 Minuten nicht auf das Tor geschossen, das war einer Austria unwürdig. Es ist unglaublich, dass wir hier nicht den Funken einer Chance haben. Wir müssen uns bei den Fans entschuldigen“, fand Verteidiger Georg Margreitter klare Worte für die Bankrotterklärung in der 31. Runde.

Thomas Simkovic und Michael Liendl (Austria)

APA/Leodolter, Almer

Die Pleite gegen Kapfenberg hinterließ bei der Austria ratlose Spielergesichter

Austria-Fans auf den Barrikaden

Bei den Fans ist Vastic aufgrund der meist vorsichtigen Spielanlage ohnehin schon länger unten durch. Die „Vastic raus“-Rufe werden nicht erst seit Samstag angestimmt. „Daran habe ich mich schon gewöhnt“, erklärte der 42-Jährige mit einem gequälten Lächeln. Die Unzufriedenheit der Austria-Anhänger steigt allerdings stetig. Nur mit Mühe konnten die Ordner im Kapfenberger Fekete-Stadion einen Platzsturm verhindern.

Vastic selbst übte sich lieber in Ausflüchten als in Selbstkritik und schob Schiedsrichter Markus Hameter den Schwarzen Peter zu. „Eine Fehlentscheidung ist eine Fehlentscheidung. Das war spielentscheidend“, sagte der Austria-Coach angesichts des fragwürdigen Elfmeterpfiffs in der chaotischen Schlussphase. Dass die Kapfenberger davor dreimal an die Stange schossen und einen Elfer vergaben, ließ Vastic außen vor, gestand aber immerhin: „Wir haben schlecht gespielt.“

Roland Linz (Austria) vor erzürnten Fans

dapd/Markus Leodolter

Die Zäune halten dem Unmut der Fans vielleicht bald nicht mehr stand

Vastic als Defensivapostel

Doch bereits die sieben in der Startelf aufgebotenen Defensivkräfte ließen von Beginn an nichts Gutes erahnen. Vastic verfolgt nach den Abgängen der Kreativspieler Zlatko Junuzovic und Nacer Barazite weiter konsequent seine Prämisse, vor allem die Defensive, die im Frühjahr statistisch eine der schwächsten der Liga war, zu stärken. Nur Kapfenberg kassierte mit 40 mehr Gegentore als die Austria (30).

„Unsere Gegentore wurden vor dem Frühjahrsstart falsch analysiert, die Statistik falsch interpretiert. Zwei Runden vor Ende der Herbstsaison waren wir Tabellenführer. Dann hatten wir zwei schwere Auswärtsspiele gegen Sturm und Salzburg, außerdem sind vier Innenverteidiger ausgefallen. Mein Fehler war vielleicht, dass ich dachte, wir können auch mit einer Notverteidigung mithalten“, rechtfertigte sich Ex-Coach Daxbacher in der Sendung „Talk und Tore“.

Austria trifft nur noch alle 135 Minuten

Vastics Maßnahme zeigte jedenfalls Wirkung. Während die „Veilchen“ unter Daxbacher noch 1,58 Treffer pro Spiel kassierten, senkte Vastic diesen Schnitt auf 0,58 . allerdings auch massiv auf Kosten der Offensive, die bei Daxbacher mit 34 Treffern noch die stärkste der Liga war. In den zwölf Ligapartien der Vastic-Ära trafen die Austrianer nur noch alle 135 Minuten ins gegnerische Tor. Die Angsthasentaktik mit meist nur einem Stürmer in der Person von Roman Kienast ließ daher den Toreschnitt von 1,79 auf 0,67 sinken.

Ob Daxbachers offensive Ausrichtung oder Vastics Mauertaktik ist für die Austria letztlich egal, denn der Punkteschnitt der beiden Trainer ist nahezu identisch. Der ausgebootete Niederösterreicher holte 1,47 Zähler pro Partie, beim Neo-Coach sind es aktuell 1,42. In beiden Systemen fehlte und fehlt es offensichtlich an Balance.

Austria-Trainer Ivica Vastic

GEPA/Hans Oberlaender

Als Spieler hat man Ivica Vastic selten so ratlos gesehen

Austria baut kontinuierlich ab

Was allerdings aktuell gegen Vastic spricht, ist die Tendenz seiner Elf. Nach einem halbwegs guten Beginn mit zehn Punkten in fünf Spielen baute die Austria kontinuierlich ab. In den letzten sieben Ligaspielen gelang bei einem Torverhältnis von 3:5 nur ein Sieg. „Wir haben genug Qualität, um gut Fußball zu spielen. Aber wir zeigen es nicht“, erklärte Liendl und spielte mit dieser Aussage seinem Trainer nicht unbedingt in die Karten.

Der Austria-Vorstand begründete im Dezember die kurzfristige Entlassung von Daxbacher nämlich damit, dass Vastic dann die komplette Vorbereitung durchziehen könne. Von einer Entwicklung der Mannschaft ist allerdings nichts zu sehen - ganz im Gegenteil. Eine realistische Titelchance ist nach der Blamage gegen Kapfenberg dahin. Fünf Runden vor Schluss beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Salzburg acht Punkte.

„Vastic ist weiter unser Trainer“

Erreicht die Austria aber einen internationalen Startplatz, verlängert sich der Vertrag um eine weitere Saison. Obwohl der Kampf um Platz drei immer härter wird, sind die Chancen der Austria kurioserweise diesbezüglich weiter völlig intakt. Außerdem stehen die Wiener im Cuphalbfinale. Die Chefetage hielt sich daher unmittelbar nach der Kapfenberg-Blamage mit Wortmeldungen angesichts der vorgegebenen Saisonziele vorerst zurück.

Erst am Sonntagabend gab es von Vorstand Markus Kraetschmer in „Talk und Tore“ einen Kommentar. „Ivica Vastic ist natürlich weiter unser Coach. Ein Sieg gegen Innsbruck ist nicht Pflicht, Vastic kann bis zum Saisonende als Trainer fungieren. Wenn wir die Europacup-Qualifikation schaffen, wird er es auch bleiben. Wir sind weiter der Meinung, dass wir das Minimalziel erreichen können, und stehen zu dem, was wir getan haben. Erst am Ende der Saison werden wir uns an unseren Entscheidungen messen lassen“, sagte Kraetschmer.

Daxbacher verteidigt seine Philosophie

Sollte der Negativtrend aber anhalten, könnte sich Vastic nach dem 17. Mai trotzdem „erfolgreich“ in die Reihe der Austria-Kurzzeittrainer um Joachim Löw, Arie Haan, Heinz Hochhauser und Walter Schachner einreihen. Das Heimspiel am Samstag gegen Innsbruck dürfte trotz der Rückendeckung des Vorstandes für den ehemaligen ÖFB-Teamspieler bei einer neuerlich schwachen Leistung vor allem vonseiten der Fans, die wohl mittlerweile mit Sehnsucht an Daxbacher zurückdenken, kein Honiglecken werden.

„Meine Philosophie war und ist, so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor zu kommen. Wir hatten auch Umfaller, haben aber zumindest oft das Spiel bestimmt. In Österreich kommt es mir so vor, als ob der beste Trainer der ist, der den Strafraum verrammelt. Bei der Austria werden Erfolge und Titel erwartet. Wenn sich die nicht einstellen, bekommt man auch mit dieser Philosophie Probleme. Ich bin aber dafür, dass Vastic bis Saisonende das Vertrauen hat“, sagte Daxbacher.

Christian Wagner, ORF.at

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