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„Die ganze Schuld trifft mich“

Die Hoffnung auf offene Worte ist ein bisschen, aber nicht ganz enttäuscht worden. Lance Armstrong gestand im TV-Interview mit Oprah Winfrey zwar jahrelanges Doping in all seinen Varianten und offenbarte, dass er ohne die Hilfsmittel die Tour de France nicht siebenmal in Folge hätte gewinnen können. Über mögliche Hintermänner oder Namen schwieg sich der US-Amerikaner am Freitag aber aus.

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Nach mehr als 13-jährigem Leugnen riss Armstrong die Mauer des Schweigens und Leugnens ein und gab jahrelanges Doping unter anderem mit EPO, Eigenblut, Kortison und Wachstumshormonen zu. Bei allen sieben Tour-de-France-Siegen zwischen 1999 und 2005 habe er unerlaubte Mittel genommen. Der zweite Teil des Interviews folgt in der Nacht auf Samstag. Ob dabei brisante Details offengelegt werden, scheint aber fraglich.

Im ersten Teil legte Armstrong eine als halbherzig empfundene Beichte ab. Ohne große Emotionen schilderte der 41-Jährige die Dopingpraktiken und nahm alle Schuld auf sich. Armstrong zeichnete auch das Sittenbild des Radsports zu dieser Zeit, obwohl er sich dezidiert nur auf sich selbst bezog. Doping habe zum Job gehört, sagte er. „Das war wie die Reifen aufzupumpen und die Flasche aufzufüllen.“ Er wolle andere zwar nicht beschuldigen, er habe das eben so gesehen. Es wäre ohne Doping unmöglich gewesen, die Tour de France siebenmal zu gewinnen.

„Nur minimales Geständnis“

Wer auf Namen möglicher Hintermänner gehofft hatte, wurde enttäuscht. Dementsprechend skeptisch wurde die Beichte auch in Frankreich aufgenommen. Im Land der größten aller Radrundfahrten wird Armstrongs Dopinggeständnis kritisch gesehen. Man könne nicht „ein so hochentwickeltes Dopingsystem haben, wie das von der US-Agentur beschrieben wurde, ohne dass Dir niemand dabei hilft“, sagte Pierre Bordry, der zu Armstrongs Zeiten Chef der französischen Anti-Doping-Agentur (AFLD) war.

Auch die französische Politik hält nicht viel von Armstrongs Geständnis. Sportministerin Valerie Fourneyron kritisierte, dass die „Manipulation weitergeht“. Die Art und Weise der Beichte hält sie für fadenscheinig. „Das war eine perfekt vorbereitete Inszenierung, bei der wir nur ein minimales Geständnis von demselben Mann bekommen haben, der uns immer Auge in Auge versichert hatte, er habe niemals betrogen.“

Der französische Ex-Radprofi Laurent Jalabert sah die Lage ganz ähnlich. „Das ist kein komplettes Geständnis. Wenn Armstrong etwas macht, geschieht das aus Berechnung. Ich frage mich, ob dieses Geständnis nicht eine Taktik ist. Er hat vielleicht Projekte, will etwas machen, das ihm am Herzen liegt. Wurde er geschützt, wurde er so kontrolliert wie die anderen?“, fragte Jalabert, der bei der Tour de France je zweimal das Punktetrikot und das Bergtrikot gewann.

Volles Programm über Jahre

Armstrong sprach im TV-Interview nur über sich selbst, wofür er später kritisiert wurde. Er habe schon Mitte der 1990er Jahre mit EPO-Doping begonnen, gab Armstrong zu, also noch vor seiner Hodenkrebsdiagnose. Später habe er mit Eigenbluttransfusion, Kortison, Testosteron und Wachstumshormon gedopt. Auf die direkte Frage Winfreys gestand der Vater von fünf Kindern, bei allen seinen sieben Tour-Siegen von 1999 bis 2005 unerlaubte Substanzen oder Methoden verwendet zu haben. Die Aufzählung der Mittel erinnerte an Bernhard Kohl, der im Herbst 2008 reinen Tisch gemacht hatte.

„Ich sehe die Lage als eine große Lüge, die ich immer wiederholt habe. Die Wahrheit lautet anders als alles, was ich jemals gesagt habe“, sagte Armstrong, der in einem Hotel in seinem Heimatort Austin befragt wurde. Er habe die (Doping-)Kultur nicht erfunden, aber auch nicht versucht, sie zu einem Ende zu bringen. „Das bereue ich, das tut mir leid“, sagte der US-Amerikaner. „Der Sport zahlt jetzt den Preis dafür.“ Kritisch reagierte der deutsche Ex-Profi Jörg Jaksche auf diese Worte: „Armstrong hat keine Reue gezeigt. Das war die Pflichtaufgabe, um sein Image aufzupolieren“, so Jaksche.

Bekenntnis eines „Tyrannen“

„Ich war stets ein Kämpfer. Ich musste immer gewinnen“, sagte Armstrong weiter. Wegen dieses unbändigen Wunsches, immer zu siegen, habe er auch die Risiken auf sich genommen. „Ich war ein arroganter Sack.“ Wenn jemand in sein Terrain eingedrungen sei, habe er ihn angegriffen, etwa jene Zeugen, die ihm schon früher Doping vorgeworfen hatten. Armstrong bestritt jedoch, jemanden unter Druck gesetzt zu haben, so wie er zu dopen, wie ihm das von ehemaligen Teamkollegen vorgehalten wird.

Wenigstens gab Armstrong zu: „Ich war ein Tyrann.“ Er habe freilich viele Fehler gemacht. „Nun muss ich dafür büßen, und das ist auch in Ordnung so, ich habe es verdient“, so Armstrong, der auch zugab, dass sechs seiner EPO-Tests bei der Tour de France 1999 positiv gewesen seien. „Aber das waren Nachtests, in Hunderten Tests war ich nie positiv.“ So hart Armstrong („Die ganze Schuld trifft mich“) mit sich selbst ins Gericht ging, so sehr nahm er den Weltradverband (UCI) gegen die Korruptionsvorwürfe in weiterer Folge in Schutz, was UCI-Präsident Pat McQuaid naturgemäß freute. Auch den italienischen Arzt Michele Ferrari versuchte Armstrong reinzuwaschen.

„Es hat mir an Respekt gefehlt vor den Spielregeln. Das eigentlich Wichtigste ist, dass ich das jetzt verstehe. Ich werde den Rest meines Lebens damit zubringen, das Vertrauen zurückzugewinnen und um Vergebung zu bitten“, sagte Armstrong am Schluss. Der britische CNN-Moderator Piers Morgan kommentierte Armstrongs Geständnis in der Folge mit den Worten: „Armstrong offenbarte, was für eine wehleidige, lügende und betrügende kleine Wurst er doch ist. Hoffentlich verschwindet er nun bald.“

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