Grugger bewältigt seine Vergangenheit
Zwei Jahre nach seinem Sturz in Kitzbühel ist Hans Grugger an den Ort des Unglücks zurückgekehrt. Im ORF.at-Interview sprach der 32-jährige Salzburger, der seine Karriere im April beenden musste, über seine Aufarbeitung des Geschehenen, die Gefühle und Gefahren auf der Streif. Grugger erklärte jedoch auch, warum er der Streif sogar dankbar sein kann.
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ORF.at: Herr Grugger, wie kamen Sie zu dem Entschluss, die Streif noch einmal zu bezwingen?
Hans Grugger: Die Idee war gleich da, auch der Wunsch, den Ort noch einmal zu sehen, wo das Unglück passierte. Doch im Vorjahr war ich psychisch noch nicht so weit. Heuer passte mir das schon besser ins Programm, weil ich wieder halbwegs fit und gesund bin.
ORF.at: Als eine Art der Vergangenheitsbewältigung?
Grugger: Ja, schon. Es war für mich der nächste Schritt, das Geschehene zu verarbeiten und auch abzuschließen. Wobei es ein Blödsinn ist, zu glauben, das jemals ganz abhaken zu können. Ich kann immerhin versuchen, mit diesem Ort meinen inneren Frieden zu schließen. Das scheint mir meinem Gefühl nach recht gut gelungen zu sein.

GEPA/Wolfgang Grebien
Grugger besuchte jene Stelle, die sein Leben von Grund auf veränderte
ORF.at: Was ging Ihnen durch den Kopf?
Grugger: Es war so ähnlich wie damals, als ich mir meinen Sturz zum ersten Mal auf Video angesehen habe. Es war emotionslos. Weil mir die Beziehung dazu fehlt, die Erinnerung an den Moment des Unfalls und an die Wochen und Monate danach. Ich war relativ gelassen. Klar, in der Mausefalle sind mir schon die Emotionen hochgekommen, weil ich ja weiß, was an dieser Stelle passiert ist und wie ich gelitten habe, um ins normale Leben zurückzufinden.
ORF.at: Die Streif war es, die Ihre Karriere beendete. Verspüren Sie keinen Groll?
Grugger: Nein. Ich würde eher sagen, dass mich die Streif zusammen mit den ÖAMTC-Notärzten und den Medizinern in Innsbruck am Leben ließ. Ich wurde sensationell versorgt. So sehe ich das, von daher bin ich dankbar, dass nicht mehr passiert ist. Vielleicht rettete oder schenkte die Streif mir sogar das Leben. Wer weiß, was sonst irgendwann noch passiert wäre, hätte die Streif meine Karriere zuvor nicht beendet. Aber das war nie ein Thema für mich und keine Überlegung wert.
ORF.at: Haben Sie mit dem Skisport auch mental schon abgeschlossen?
Grugger: Sagen wir so: Ich vermisse das Umfeld und die Teamkollegen, das gemeinsame Unterwegssein. Das geht mir schon ein bisschen ab. Oder bei schönem Wetter wie hier in Kitzbühel oder auch in Wengen, da sitz ich vor dem Fernseher und denke sentimental an diese schöne Zeit zurück. Ich fühle aber, dass ich für mich mit dem Rennsport komplett abgeschlossen habe. Das ist in Ordnung, so wie es ist. Wenn der Körper nicht mehr kann, ist die Sache erledigt. Von daher fiel mir der Abschied gar nicht so schwer.
ORF.at: Was sind die Tücken der Streif, was macht sie so gefährlich?
Grugger: Für mich waren es die ersten zehn Sekunden, die Mausefalle (lacht). Oder sagen wir die ersten 25 Sekunden mit Steilhangausfahrt. Und dann die Hausbergkante und die Traverse. Das sind die absoluten Höhepunkte hier hinunter. Die interessantesten Passagen, aber auch die gefährlichsten. Vor allem wenn es eisig und wellig ist. Dann ist es gleich noch um ein Eck schwerer.
ORF.at: Können Sie sich an frühere Gedanken im Starthaus erinnern?
Grugger: Wir stehen einfach oben und hauen uns raus. Für Gedanken ist kein Platz. Im Vorfeld zu viel nachzudenken, wäre sogar gefährlich, schneller wird man dadurch jedenfalls nicht. Jeder Fahrer sollte einfach aufs Rennen konzentriert sein, auf die Linie und darauf, seine beste Leistung abzurufen - nicht auf die Gefahren. Denn erst der Gedanke daran macht die Streif erst richtig gefährlich. Wer auf der Streif aber gewinnen will, muss nicht nur mutig sein, er muss es auch skifahrerisch draufhaben und die körperlichen Voraussetzungen mitbringen.
ORF.at: Wer im ÖSV-Team erfüllt derzeit all diese Voraussetzungen?
Grugger: Grundsätzlich alle, oder zumindest viele. Derzeit am besten drauf sind sicher (Klaus) Kröll und (Hannes) Reichelt. Ich hoffe, dass die Burschen das Beste rausholen. (Max) Franz muss man nach dem Sturz in Beaver Creek noch Zeit geben und von Rennen zu Rennen schauen. (Georg) Streitberger fehlt derzeit das nötige Selbstvertrauen, um ganz vorne reinzufahren. (Joachim) Puchner hat sich dafür super entwickelt, und auch Romed Baumann wird immer besser. Zu rechnen ist in Kitzbühel mit ihnen allen.
Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at
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