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„In allen Belangen besser“

Mit hängenden Köpfen sind die Stars des FC Barcelona am Dienstag vom Rasen der Allianz Arena geschlichen. Über vier Jahre lang galten Lionel Messi und Co. als Maß aller Dinge im Weltfußball, beim 0:4 im Semifinal-Hinspiel der Champions League gegen Bayern München aber machten sie eine Erfahrung, die in der Vergangenheit oft nur ihren Gegnern zuteilgeworden war - jene der totalen Unterlegenheit.

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„Wenn der Gegner besser ist, kann man nur gratulieren. Dieser FC Bayern ist die stärkste Mannschaft, gegen die ich seit langer Zeit gespielt habe“, gestand Dani Alves nach der höchsten Barca-Niederlage in der Champions League seit November 1997 (0:4-Heimpleite in der Gruppenphase gegen Dynamo Kiew).

Messi nur ein Schatten seiner selbst

Auch Messi musste die Überlegenheit des deutschen Rekordmeisters anerkennen. „Die Bayern waren in allen Belangen besser als wir“, sagte der vierfache Weltfußballer, der sich aufgrund einer offensichtlich noch nicht ausgeheilten Muskelverletzung über den Platz schleppte und von David Alaba und Co. mühelos aus dem Spiel genommen wurde.

Lionel Messi (Barca)

Reuters/Michael Dalder

An Barca-Superstar Lionel Messi lief das Spiel komplett vorbei

Warum der Argentinier überhaupt eingesetzt wurde, ließ Barca-Kotrainer Jordi Roura offen. „Er hat große Anstrengungen unternommen, um überhaupt mitspielen zu können. Mehr war nicht möglich“, erklärte der Assistent von Tito Vilanova.

Schiedsrichter keine Entschuldigung

Nicht nur die mangelnde Fitness Messis, auch der ungarische Referee Viktor Kassai spielte den Bayern in die Karten, indem er zumindest zwei irreguläre Tore anerkannte. Als Ausrede für das Debakel wollten die Katalanen die Schiedsrichterleistung aber nicht gelten lassen. „Das ist keine Entschuldigung. Bayern war besser, und wir müssen gratulieren“, sagte Xavi. Ähnlich äußerte sich Gerard Pique. „Wir brauchen nicht über den Schiedsrichter zu reden. Die Bayern waren einfach stärker.“

Jerome Boateng (Bayern), Schiedsrichter Viktor Kassai (HUN) und Sergio Busquets (Barcelona)

GEPA/Felix Roittner

Auch Schiedsrichter Viktor Kassai erwischte nicht seinen besten Tag

Kritik an Kassai deutete nur Roura an. „Wir hatten in dieser Champions-League-Saison schon vorher mit Fehlentscheidungen zu kämpfen, und beim einen oder anderen Bayern-Tor hätte er pfeifen können. Doch wir sollten uns dahinter nicht verstecken, der Gegner war uns überlegen.“

Rückspiel als Frage der Ehre

An eine Wende im Rückspiel am 1. Mai kann Roura nicht ganz glauben. „Wunder sind nur schwer zu realisieren. Wir möchten den Verein auf alle Fälle würdevoll vertreten, werden kämpfen und hoffen, dass der Schiedsrichter nicht wieder so gegen uns pfeift.“

Die Barca-Spieler gaben mehr oder weniger überzeugend klingende Durchhalteparolen aus. „Auch wenn es fast unmöglich ist, werden wir es versuchen. 90 Minuten im Camp Nou können lang sein“, meinte Alves. „Es wird schwierig, aber wir werden alles geben“, versprach Messi. Bei Xavi klang Resignation durch: „Wir werden es zumindest versuchen, immerhin geht es auch um unsere Ehre.“ Pique gab bereits als Devise aus, man müsse sich nun vor allem auf die spanische Meisterschaft konzentrieren. In der Primera Division benötigen die Katalanen aus den letzten sechs Runden noch sechs Punkte zum Titelgewinn.

In der Champions League hingegen dürfte Barcelona leer ausgehen, wie auch ein Blick auf die Statistik verrät. Seit der Einführung der Auswärtstorregel im Europacup gelang es in 171 Versuchen noch keiner Mannschaft, nach einem 0:4 im Hinspiel noch aufzusteigen.

Beckenbauer überwältigt

In der Bayern-Chefetage überstrahlte die Euphorie nach dem Sieg kurzfristig sogar die Steueraffäre von Clubpräsident Uli Hoeneß und den am Spieltag bekanntgewordenen Sensationstransfer von Dortmund-Jungstar Mario Götze. „So einen Abend habe ich noch nicht erlebt, und ich bin schon lange dabei. 4:0 gegen die beste Mannschaft der Welt, das ist wie ein Traum“, jubelte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. Selbst Franz Beckenbauer fehlten zunächst beinahe die Worte. „Besser kann’s nicht sein. In den kühnsten Träumen hätten wir das nicht erwartet“, meinte der sonst so redselige Ehrenpräsident knapp.

Heynckes analysiert sachlich

Lediglich Trainer Jupp Heynckes gab sich betont sachlich. „Entscheidend war unsere Grundordnung und taktische Disziplin, vor allem in der Defensive. Alle waren bereit, viel nach hinten zu arbeiten. Und dass wir vorne viel Kreativität haben, wussten wir.“ Der 68-Jährige befindet sich mit seinem Team auf bestem Weg zum Triple (Sieg in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League), muss aber im Sommer Josep Guardiola Platz machen.

Der Katalane formte jene Barca-Mannschaft, die von den Bayern nun praktisch auseinandergenommen wurde. Kein Wunder also, dass bei Heynckes’ Analyse auch Genugtuung durchklang und er zufrieden von seinem Matchplan berichtete, den die Spieler optimal umgesetzt hätten. „Barcelona ist nach wie vor eine Ausnahmemannschaft, deswegen ist dieser Sieg umso höher zu bewerten. Das war eine grandiose Leistung“, sagte Heynckes und sprach von einem „verdienten Lohn“.

Zu den irregulären Bayern-Treffern wollte sich der Coach nicht groß äußern. „Es ist schwierig, das vom Trainerstuhl aus zu beurteilen“, sagte Heynckes und ergänzte: „Die Schiedsrichterleistung hat das Ergebnis aber überhaupt nicht beeinflusst.“

Loyale Freundschaft zu Hoeneß

In der Stunde seines wohl größten Triumphs beim FC Bayern waren Heynckes Gedanken auch bei Hoeneß, der wegen seiner Steueraffäre immer mehr unter Druck gerät. „Er ist mein Freund, jetzt noch mehr denn je“, betonte er. Rummenigge stellte sich ebenfalls hinter den Vereinschef. „Uli ist mein Freund, das ist sehr wichtig. Ich glaube, es ist in diesen Zeiten wichtig, dass man auch loyal zu seinen Freunden steht.“

Sportlich konnte Rummenigge höchst zufrieden sein, ist doch das Finale am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion zum Greifen nahe. Vorzeitige Gratulationen lehnte er aber ab. „Gratulieren dürfen Sie nicht, weil wir noch ein Rückspiel haben, und das wäre arrogant, wenn wir uns jetzt schon gratulieren lassen würden. Wir fahren nächste Woche mit einem Schuss Demut nach Barcelona“, sagte der Bayern-Vorstandschef.

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