Deutscher Verbandschef fordert Reform
Die alpinen Speed-Bewerbe der Paralympics in Sotschi haben aus österreichischer Sicht mit insgesamt zweimal Gold und zweimal Silber zwar erfreuliche Ergebnisse gebracht, Gesprächsthema unter Athleten und Betreuern waren aber die schweren Stürze - vor allem unter den Monoskifahrern. Die anspruchsvollen Pisten in Rosa Chutor und die hohen Temperaturen sorgten für viele Schrecksekunden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Bereits bei der Herren-Abfahrt am Samstag, bei der der Kärntner Markus Salcher den Stehendbewerb für sich entscheiden konnte, stockte den Zuschauern im Zielraum beim Sturz des Amerikaners Tyler Walker im Sitzend-Bewerb der Atem. Walker überschlug sich mehrmals und blieb schließlich regungslos im Schnee liegen. Der Amerikaner musste mit dem Rettungshubschrauber abtransportiert werden. Wie durch ein Wunder erlitt der 27-Jährige keine schweren Verletzungen. „Ich erinnere mich nicht mehr an den Unfall, aber ich habe mir nichts gebrochen“, teilte Walker einen Tag nach dem Sturz via Twitter mit.
Ausfallsquote von 50 Prozent
Auch beim Super-G am Sonntag flogen zahlreiche Athleten spektakulär von der Strecke. So erwischte es auch den Tiroler Roman Rabl, der im Zielhang die Kontrolle verlor und spektakulär stürzte. Rabl blieb bis auf Rippenprellungen unverletzt. Sein Teamkollege Reinhold Sampl hatte auf Abfahrt und Super-G verzichten müssen, nachdem er bei der Besichtigung der Abfahrtsstrecke im weichen Schnee gestürzt war und mit Verdacht auf ein eGehirnerschütterung ins Spital musste.

Reuters/Christian Hartmann
Beim Sturz von Walker in der Abfahrt stockte den Zuschauern der Atem
Beim Super-G der Damen stürzten die US-Amerikanerinnen Alana Nichols und Stephani Victor schwer. Beide Läuferinnen mussten so wie ihr Teamkollege Walker mit dem Helikopter abtransportiert werden. Zum Glück gab es auch bei Nichols und Victor erste Entwarnung. Beide waren laut US-Verband im Krankenhaus „bei Bewusstsein und ansprechbar“. Nur vier von acht Athletinnen sahen das Ziel, bei den Herren am Sonntag betrug die Ausfallsquote ebenfalls fast 50 Prozent.
Strecke für Monoski zu schwer?
Bereits nach der Sturzorgie in den Abfahrtsbewerben wurden die Kritik und die Rufe nach einer Reform der Rennen laut. „Wenn die Summe der Stürze überwiegt, muss man das hinterfragen. Das sind ja keine Anfänger, die da fahren“, sagte Friedhelm Julius Beucher, seines Zeichens Chef des deutschen Behindertensportverbandes. Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) müsse sich „überlegen, ob man Monoskiwettbewerbe in allen Disziplinen auf allen Pisten“ durchführen könne.
Selbst der am Unterschenkel amputierte Matthias Lanzinger, der aus seiner Zeit im Skiweltcup einiges gewohnt ist, stufte die Situation in Sotschi als „grenzwertig“ ein. Denn während Athleten und Athletinnen mit zwei Ski wie Doppel-Paralympicssieger Salcher Fahrfehler auf anspruchsvollen und gleichzeitig weichen Pisten wie etwa in Rosa Chutor korrigieren könnten, seien Monoskifahrer hilflos. „Jede Extremsituation gleichen sie normalerweise mit dem zweiten Ski durch die Körperdrehung aus. Bei den Monoskifahrern geht das nicht“, sagte Beucher mit Hinweis auf die Sportler mit zwei Ski.

GEPA/Christopher Kelemen
Monoskifahrer wie Rabl bewegten sich in Sotschi in jeder Sekunde am Limit
„Paralympics und kein Juxrennen“
Die Schwierigkeiten der Pisten von Rosa Chutor, die schon den Nichtbehinderten vor wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen alles abverlangt hatten, wurde im Vorfeld der Paralympics von den Aktiven offenbar auch unterschätzt. „Die Trainer und die Athleten haben gesagt: Das ist in Ordnung“, wird etwa Karl Quade, Chef de Mission des deutschen Teams, von der dpa zitiert. Auch eine IPC-Sprecherin betonte, dass es am Samstag in der Trainerrunde nach dem Rennen keine Beschwerden gegeben habe.
Ein Großteil der Sportlerinnen und Sportler will sich auch der Herausforderung stellen und geht das Risiko bewusst ein. „Das ist schon okay. Wenigstens habe ich eine gute Show geboten. Das sind ja immerhin Paralympics und kein Juxrennen“, sagte etwa Rabl nach seinem spektakulären Sturz im Super-G. Der Traum vom Paralympicssieg sticht alle Sicherheitsbedenken aus. „Man versucht die Gefahr auszublenden, soweit es geht“, sagte der Deutsche Thomas Nolte. Und sein Landsmann Georg Kreiter pflichtete bei: „Jeder gibt volles Rohr. Wenn du das nicht machst, kommst du zumindest nicht unter die ersten drei“. Beide wurden im Super-G übrigens ebenfalls Opfer der schweren Piste.
Links: