Stars auf Zwangsurlaub
Bereits in der Zusammenstellung der erweiterten Teamkader für die WM in Brasilien fehlen einige klingende Namen. Besonders die Offensivstars wie etwa Carlos Tevez, Samir Nasri und Mario Gomez haben derzeit kein leichtes Leben. Immerhin befinden sie sich in prominenter Gesellschaft, die noch anwachsen wird, wenn dann am 2. Juni einige weitere Stars den endgültigen Schnitt nicht überleben werden.
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Weltmeister Spanien verzichtet auf Real-Jungstar Isco und Tottenham-Goalgetter Roberto Soldado, bei Italien fehlen Luca Toni, Francesco Totti und Alberto Gilardino. Ashley Cole halfen auch 107 Länderspiele für England und Eric Abidal 67 Einsätze für Frankreich nichts. Für Gregory van der Wiel und John Heitinga gab es bei den Niederlanden keinen Platz, Gastgeber Brasilien benötigt Rafinha sowie die Altstars Kaka, Robinho und Ronaldinho offenbar nicht. Die Reaktionen der Betroffenen reichen von Enttäuschung über lautstarken Ärger bis hin zu Süffisanz.
Tevez fährt nach Disney World
Im vorläufigen 30-Mann-Kader Argentiniens fehlt Tevez. Der Stürmer wurde mit Juventus Turin immerhin italienischer Meister und hatte mit 19 Treffern (Platz drei in der Torschützenliste) als bester Schütze seines Clubs gehörigen Anteil am „Scudetto“. Doch unter Teamchef Alejandro Sabella hat der 30-Jährige kein Leiberl, seit dessen Amtsübernahme 2011 wurde der 64-fache Teamstürmer kein einziges Mal einberufen.
Dementsprechend gelassen reagierte Tevez auf seine Nichtnominierung, die er schon erwartet hatte. „Ich denke nicht, dass ich mit der Nationalmannschaft bei der WM spielen werde“, hatte er schon im April gesagt und süffisant hinzugefügt, dass er ohnehin schon andere Pläne für den WM-Monat hat: „Ich habe für mich, meine Frau und unsere drei Kinder schon Tickets für Disney World gekauft.“
„Fuck Frankreich“
In Frankreich sorgte vor allem die Nichtnominierung von Nasri für eine große Überraschung. Der 26-Jährige war immerhin eine der Stützen beim Titelgewinn seines Clubs Manchester City in der Premier League. „Wenn es nicht ausreicht, Stammspieler bei Manchester City zu sein und zwei Titel zu gewinnen - schade!“, ärgerte er sich, um dann, ganz Profi, hinzuzufügen: „Ich respektiere die Wahl. Ich werde die WM im TV schauen.“ Gänzlich andere Töne fand hingegen Nasris Freundin Anara Atanes via Twitter: „Fuck Frankreich und fuck Deschamps. Was für ein beschissener Trainer.“ Im Nachhinein entschuldigte sich das Dessousmodel dann, falls es „jemanden in Frankreich beleidigt haben sollte“.

AP/Franck Fife
Teamchef Deschamps verkündete im TV, dass er ohne Nasri plant
Teamchef Didier Deschamps, der auch auf Eric Abidal verzichtet, versuchte seine Entscheidung hingegen ähnlich wie einst Ex-ÖFB-Coach Josef Hickersberger zu begründen: „Ich habe das beste Team zusammengestellt“, sagte er bei der Präsentation seines Kaders. „Ich habe nicht die besten 23 französischen Spieler gewählt.“ Ähnlich hatte auch Hickersberger vor der Heim-EM 2008 argumentiert, als er die „richtigen“ Spieler auswählte. Nasri gilt als Unruheherd, zuletzt hatte er mit der wüsten Beschimpfung eines Journalisten bei der EM 2012 für einen handfesten Skandal gesorgt.
„Stürmersterben“ bei Italien
Dass viele Tore keine Teamberufung bedeuten, mussten einige italienische Stürmerstars zur Kenntnis nehmen. Altstar Luca Toni etwa erlebte mit 20 Treffern für Verona, was Platz zwei in der Torschützenliste hinter Ciro Immobile von Torino (22) bedeutet, seinen zweiten Frühling. Den Sommer darf der 37-Jährige aber nicht in Brasilien, sondern vor dem Fernsehgerät in Italien verbringen.
Dieses Schicksal teilt er mit Roma-Ikone Francesco Totti (37) und Udinese-Urgestein Antonio di Natale (36). „Ich habe großen Respekt vor ihnen, sie verdienen mehr Beachtung, als ich ihnen geben kann. Aber ich kann nur sagen, dass sie nur im Notfall eine Chance haben“, hatte Teamchef Cesare Prandelli bereits im April angekündigt. Vergebens auf seine Chance wartete auch Alberto Gilardino, der diese Saison mit seinen 15 Toren für Genoa sein Torkonto in der Seria A auf insgesamt 175 Tore schraubte.
„Hässlichste Saison“ für Gomez
Die Serie A scheint heuer überhaupt kein guter Boden für eine WM-Nominierung zu sein, wie auch Deutschlands Mario Gomez schmerzhaft erfuhr. In 59 Spielen für die DFB-Elf traf der Stürmer gleich 25-mal, diese Saison warfen ihn aber Verletzungen zurück. „Er hat seit September nur 280 Minuten gespielt“, begründet Teamchef Joachim Löw seinen Verzicht, obwohl mit Lazio-Legionär Miroslav Klose und Kevin Volland von 1899 Hoffenheim nur zwei nominelle Angreifer im Aufgebot stehen. „Die hässlichste Saison meiner Karriere endet mit einem weiteren Rückschlag“, klagte Gomez, der bis zuletzt gehofft hatte.

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Gomez kann bei der WM weder Bälle noch Titel jagen
Den Weg von Italien zur WM fanden auch die Altstars Kaka und Robinho (beide Milan) nicht, die ihr Schicksal der Nichteinberufung zur Heim-WM mit Ronaldinho von Atletico Mineiro und Bayern-Verteidiger Rafinha teilen. Die Entscheidung ist umstritten, Robinho soll etwa in Neymar einen starken Fürsprecher gehabt haben, andere hätten sich für Kaka eingesetzt. „Ich bitte unsere Fans, auch wenn ihre Meinung beim einen oder anderen Namen abweicht, dass sie die 23 Nominierten gut empfangen und dass wir ab jetzt einen klaren Kurs auf das halten, was wir uns am meisten wünschen: hier in Brasilien den WM-Titel zu erobern“, sagte Teamchef Felipe Scolari.
Diskussionen in Spanien, England, Holland
Im Weltmeisterland Spanien stößt die Nichtnominierung von Real-Jungstar und Publikumsliebling Isco auf Unverständnis, der ebenso wie sein Madrider Clubkollege Alvaro Arbeloa bei der WM zuschauen muss. Real hatte das Potenzial des 22-Jährigen erkannt und ihm 2013 einen Fünfjahresvertrag gegeben, Teamchef Vicente del Bosque sieht es (noch) nicht. Auch Tottenham-Goalgetter Soldado konnte den Weltmeistercoach nicht von sich überzeugen.
Außenverteidiger Cole von Chelsea reichten auch 107 Länderspiele für England nicht, um von Teamchef Roy Hodgson ein WM-Ticket zu bekommen. „Unter vielen schweren Entscheidungen, die ich für die Zusammenstellung der Mannschaft treffen musste, war eine der schwersten, Ashley nicht zu nominieren“, sagte Hodgson. Cole zögerte nicht lange mit einer Reaktion - und kündigte seinen Rücktritt aus dem Team an: „Ich denke, es ist das Beste, wenn ich aus der Nationalmannschaft zurücktrete“, beschloss der 33-Jährige.
Bei den Niederlanden fanden Gregory van der Wiel von Meister Paris Saint-Germain und John Heitinga vom FC Fulham als prominenteste Spieler keine Berücksichtigung. Am 2. Juni, dem endgültigen Stichtag für die WM-Kader, werden sie weiteren ausgebooteten Stars mit ihren jetzt gesammelten Erfahrungen weiterhelfen können.
Oliver Mück, ORF.at
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