Kratzer am glorifizierten Bild
Das nach der fulminanten Saison mit dem Gewinn des spanischen Meistertitels glorifizierte Image von Atletico-Madrid-Coach Diego Simeone hat im Champions-League-Finale am Samstagabend einige Kratzer abbekommen. Der „Trainergott“ gab sich nach dem 1:4 nach Verlängerung gegen Real Madrid verlorenen Endspiel in Lissabon auch selbstkritisch.
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So übernahm der Argentinier die Verantwortung für den misslungenen Einsatz seines angeschlagenen Torjägers Diego Costa und entschuldigte sich für seinen Fehler. Auch den verhängnisvollen Ausgleich in der Nachspielzeit hätte Simeone mit einer anderen Taktik eventuell verhindern können. Und im Finish der Verlängerung wurde er nach einem Platzsturm vom Schiedsrichter auf die Tribüne verbannt.

AP/Daniel Ochoa de Olza
Im Angesicht der Niederlage war Diego Simeone kaum noch zu halten
Schock in der 93. Minute
92 Minuten lang war Simeone an der Außenlinie auf und ab marschiert, hatte dirigiert, angetrieben und gejubelt. Den Triumph gegen den Stadtrivalen dicht vor Augen, stand der 44-Jährige noch in der 89. Minute vor den eigenen Fans und animierte sie, mehr Lärm zu machen. Schließlich stand die Krönung einer außergewöhnlichen Saison für den frisch gekürten spanischen Meister unmittelbar bevor.
Doch dann kam Sergio Ramos und köpfelte in der dritten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 ein. Der Ausgleich wäre Real wohl nicht gelungen, hätte Simeone beim Eckball davor zwei Spieler zu den Stangen beordert. Dann wäre der in die linke Torecke platzierte Kopfball ohne allzu große Mühe abzuwehren gewesen.
So aber gab es eine Verlängerung, die für Atletico das Ende aller Königsklassenträume bedeutete. Denn in der Zusatzschicht ging dem Außenseiter endgültig die Luft aus, nachdem er sich bereits zuvor nur noch mit viel Mühe in Richtung Ziellinie zu schleppen schien.
Entscheidender Fehler schon vor dem Anpfiff?
Die Atletico-Helden waren müde, und auch Simeone konnte ihnen nicht mehr helfen - weil er bereits vor dem Anpfiff den womöglich entscheidenden Fehler begangen hatte. Den Argentinier hatte dieses Mal sein Gespür verlassen, auf das er sich in Atleticos erster Meistersaison seit 18 Jahren zuvor immer hatte verlassen können.
Dieses Mal verpokerte sich der verehrte Coach. Er hatte Diego Costa vertraut und ihm geglaubt, dass er nach seiner Oberschenkelverletzung rechtzeitig fit sein würde. Aber bereits in der neunten Minute humpelte der Stürmerstar wieder vom Platz. Es war keine neue Verletzung, sondern schlicht die Erkenntnis, doch nicht gesund gewesen zu sein.
Simeone musste also früh wechseln und hatte in der Schlussphase, als sein Team wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen hing, nicht mehr die Möglichkeit, einen frischen Spieler zu bringen - oder durch eine Einwechslung etwas Zeit zu schinden. „Es war meine Verantwortung, ihn zu bringen, und deshalb auch mein Fehler“, sagte der Coach, „ich entschuldige mich dafür.“
Schlusspfiff auf der Tribüne
Dass er sich in den letzten Sekunden der Verlängerung auch noch einen heftigen Disput mit Real-Verteidiger Raphael Varane lieferte und nach seinem ungestümen Platzsturm vom Referee auf die Tribüne verbannt wurde, versetzte Simeones Image einen weiteren Kratzer. Dem Argentinier war der Kragen geplatzt, weil Varane nach dem 4:1 den Ball in Richtung Atletico-Bank schoss. „Das war keine gute Aktion von ihm, aber wahrscheinlich auch nicht von mir“, gab Simeone zu.
Der Coach des spanischen Meisters musste auch eingestehen, dass der Sieg des Stadtrivalen trotz des späten Ausgleichs verdient war. „Real war in der zweiten Hälfte besser. Wir wurden weit zurückgedrängt und konnten uns nicht mehr befreien.“
Die Saison seines Clubs bewertete Simeone mit 9,5 von 10 möglichen Punkten. „Diesen halben Extrapunkt haben wir heute leider verpasst. Das ist enttäuschend, aber wir müssen an dieser Niederlage wachsen“, betonte Argentiniens Ex-Teamspieler, der von den spanischen Journalisten nach der Pressekonferenz mit lautem Applaus verabschiedet wurde.
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