Traum zerplatzt in Verlängerung
Österreichs Traum vom ersten EM-Titel im American Football ist in einem dramatischen Finale geplatzt. Die Österreicher mussten sich im Endspiel der 13. Europameisterschaft im Wiener Ernst-Happel-Stadion vor 27.000 Zuschauern Titelverteidiger Deutschland in der Verlängerung mit 27:30 (9:14 / 17:17) geschlagen geben. Wide Receiver Niklas Römer wurde in der Overtime zum Helden für die Deutschen.
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Deutschland verteidigte damit seinen Titel von vor vier Jahren erfolgreich und durfte sich zum dritten Mal über EM-Gold freuen. Römer, der bereits davor zwei Touchdown-Pässe von Quarterback Marco Ehrenfried gefangen hatte, stand in der Verlängerung goldrichtig und brach Österreich damit das Genick. Die Österreicher hatten nach schnellem 0:14-Rückstand die Partie dank Touchdowns von Laurinho Walch, Philipp Margreiter und Christoph Gross sowie zwei Fieldgoals von Kicker Christopher Kappel zwischenzeitlich umgedreht.
GEPA/Mario Kneisl
Niklas Römer sorgte für die ersten und letzten Punkte im Happel-Oval
Die Deutschen nutzten die Fehler der Österreicher und umstrittene Entscheidungen der Referees eiskalt aus. Neben Römer erzielte auch Verteidiger Maximilian Wild nach einem österreichischen Fumble einen Touchdown für den alten und neuen Europameister. Kicker Jan Hilgenfeldt steuerte ein Fieldgoal zum Sieg der Deutschen bei, die das Turnier ungeschlagen beendeten und Österreich gleichzeitig die erste Niederlage bei der Heim-EM zufügten.
Rekordbesuch im Prater
Dabei war alles für die große EM-Party aus rot-weiß-roter Sicht angerichtet. Mehr als die Sonne über Wien strahlten wohl nur noch die Veranstalter. Denn mit 27.000 Zuschauern wurde zumindest ein Ziel erreicht. Mehr Sitze in einem Stadion waren bei einem Footballspiel in Österreich noch nie belegt gewesen. Der Funke musste erst gar nicht vom Publikum auf die Spieler überspringen, denn bereits vor dem Kick-off gab es stehende Ovationen für die österreichische Mannschaft, auf ihrem Weg ins Stadion. Und wer spätestens bei den Hymnen keine Gänsehaut hatte, der fiel in die Kategorie gefühlskalt.
Anders als im ersten Spiel gegen Dänemark hatte Sportminister Gerald Klug diesmal kein glückliches Händchen. Deutschland gewann den Münzwurf. Weil der Titelverteidiger aber lieber erst einmal verteidigen wollte, hatte Österreich die erste Angriffsserie. Die war aber nach drei Versuchen schon wieder vorbei, weil die Finger von Thomas Haider nach einem weiten Pass von Quarterback Gross um ein paar Zentimeter zu kurz waren. Im Lärm des Happel-Ovals kam aber auch die deutsche Offensive erst einmal nicht auf Touren.
Deutschland nutzt Fehler eiskalt
Die Defensivreihen bestimmten im ersten Viertel das Spielgeschehen - bis zu einem Fehler der Gastgeber. Nach einer missglückten Rückgabe und einem daraus resultierenden kurzen Punt von Clemens Erlsbacher starteten die Deutschen an der 26-Yard-Linie der Österreicher. Und diese Chance ließ sich der Titelverteidiger nicht entgehen. Quarterback Ehrenfried fand Receiver Römer in der Ecke der Endzone, und der hielt den Ball trotz der Intervention von Benjamin Bubik fest. Damit lag Österreich erstmals in diesem Turnier zurück.
Und nur wenig später kam es für die Österreicher noch schlimmer. Philipp Sommer fing einen unter Druck geworfenen Pass, ließ den Ball aber beim Tackle eines deutschen Verteidigers aber fallen. Defenseliner Wild schnappte sich das Leder und ließ sich die Chance zum zweiten deutschen Touchdown nicht entgehen. Die 20 Yards bis zur Endzone waren selbst für das „Bröckerl“ kein Problem. Kurzfristig wurde es im weiten Oval still. Das war kein Viertel nach dem Geschmack der österreichischen Spieler und Fans. Dass es nicht noch im ersten Viertel 21:0 für Deutschland stand, war Walch zu verdanken, der einen verlorenen Ball von Andreas Hofbauer retten konnte.
Österreich schlägt spektakulär zurück
Das zweite Viertel begann wieder mit einem missglückten Punt der Österreicher. Die Deutschen näherten sich aus kurzer Distanz erneut der Endzone, doch diesmal war es Römer, der den Heimischen ein Geschenk machte. Der Wide Receiver ließ den Ball kurz vor Goalline auf den Rasen fallen, und die österreichische Verteidigung reagierte am schnellsten. Rot-Weiß-Rot versuchte, das Momentum zu nutzen. Gross schüttelte einen 32-Yard-Pass auf Walch aus dem Ärmel, wenig später holte Manuel Thaller den Ball mit einer Hand aus der Luft. Sogar ein vierter ausgespielter Versuch ging in dieser Phase auf.
Innerhalb der eigenen 20-Yard-Linie riss sich die deutsche Verteidigung aber wieder am Riemen und hielt die Österreicher von der Endzone fern. Dazu brachten sich die Gastgeber mit einer Strafe um einen kurzen vierten Versuch an der 16-Yard-Linie. So musste Kicker Kappel aus 37 Yards seine Zielsicherheit unter Beweis stellen - eine Übung, die gelang. Es war das erste österreichische Fieldgoal im Turnier und überhaupt die ersten rot-weiß-roten Punkte in einem EM-Finale. 3:14 sah gleich viel freundlicher aus.
Und die Österreicher hatten sogar die Chance nachzulegen, nachdem Andreas Lunzer einen Pass von Ehrenfried abfing und weit in die Hälfte der Deutschen zurücktrug. Jetzt bebte das Stadion. 49 Sekunden hatte die Offense Zeit, den Rückstand zu verkürzen. Und die reichten Quarterback Gross. Der Wiener fand Walch in der rechten Ecke der Endzone, und der 21-Jährige holte sich das Leder nach einem 19-Yard-Flug spektakulär an die Brust. Bei dieser Aktion war auch Enrico Martini, Legionär bei den Raiders Tirol, machtlos. Ein kleiner Wermutstropfen: Kappel schoss den Extrapunkt links an den Stangen vorbei - aber Österreich war wieder im Spiel.
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Laurinho Walch erzielte den ersten Touchdown für Österreich
„Big Play“ bringt Führung
Allerdings war mit der Pause auch der Schwung der Österreicher etwas dahin. Zwar konnte die Verteidigung die erste Angriffsserie der Deutschen stoppen, doch im Gegenzug leistete sich Gross die erste Interception. Ein weiter Pass des Spielmachers landete in den Händen von Mark Scherenberg. Diesmal konnte der Titelverteidiger aus dem Fehler kein Kapital schlagen. Denn auch ein weiter Pass von Ehrenfried in die Endzone fand nicht die richtige Anspielstation. Bubik sprang dazwischen und schrieb sich die zweite österreichische Interception an diesem Abend gut.
Angestachelt von Bubiks „Big Play“ kam nun auch die Offense wieder auf Touren. Gross führte in Kombination mit Hofbauer und seinen Receivern Sommer und Haider die Österreicher über 80 Yards Richtung deutsche Endzone - und zur erstmaligen Führung. Margreiter wuchtete den Ball schließlich im letzten Versuch aus wenigen Zentimetern über die Linie. Und weil die Österreicher auf den Extrapunkt verzichteten und Quarterback Gross den Ball zur erfolgreich Two-Point-Conversion in die Endzone trug, stand es elf Minuten vor Schluss 17:14 für Österreich.
Deutschland kämpft sich zurück
Geschlagen war Deutschland aber noch lange nicht. Unter dem ohrenbetäubenden Lärm der rot-weiß-roten Fans trieb Ehrenfried die Deutschen nach vorne. Doch dann fabrizierte der Quarterback den nächsten Fehlpass. Diesmal stand Stefan Ruthofer - auch er spielt wie Lunzer und Bubik bei den Vienna Vikings - goldrichtig und fing das Leder ab. Die Österreicher konnten die goldene Gelegenheit, die Führung auszubauen, aber nicht nutzen. Ehrenfried und Co. bekamen neuerlich die Chance, den Spieß wieder umzudrehen.
Und Ehrenfried versuchte, sie diesmal zu nutzen. Ein sehenswerter Pass auf Hilgenfeldt über mehr als 30 Yards brachte Deutschland bis knapp vor die österreichische Endzone. Einen Touchdown konnten die Gastgeber zwar gerade noch verhindern, den Ausgleich durch Kicker Hilgenfeldt - derselbe Spieler der mit seinem gefangenen Pass die Punkte erst möglich gemacht hatte - mit einem Fieldgoal aus 29 Yards aber nicht. Das Spiel stand 4:11 Minuten vor dem Ende auf Messers Schneide.
Die folgende Angriffsserie der Österreicher versandete zum Leidwesen der Fans im Nichts. Deutschland bekam den Ball an der eigenen 33-Yard-Linie mit 2:40 Minuten auf der Uhr zurück. Und nur zehn Sekunden später standen die Deutschen mit dem exakt gleich Spielzug wie beim Ausgleich - Pass Ehrenfried auf Hilgenfeldt - weit in der Hälfte der Österreicher. Dass Letztgenannter danach die gegnerische Verteidigung verhöhnte, verschaffte den Heimischen in Form von einer 15-Yards-Strafe etwas Luft und brachte den Sturmlauf des Titelverteidigers zum Stoppen.
Dramatische Verlängerung
Mit 1:09 Minuten auf der Uhr bekam Österreich, allerdings an der eigenen Sechs-Yard-Linie, den Ball. Doch Gross und Co. riskierten so knapp vor der eigenen Endzone nicht mehr alles. Damit musste die Entscheidung in der Verlängerung fallen. Deutschland gewann neuerlich den Münzwurf und durfte den Regeln entsprechend an der 25-Yard-Linie der Österreicher beginnen. Zwar hielt die Abwehr, doch aus Sicht der Referees unsportliches Verhalten von Matthias Rebel hielt den deutschen Angriff am Leben.
Und wie schon im ersten Viertel wurden die Gastgeber doppelt bestraft. Hanselmann fing nach Pass von Ehrenfried den Ball unter Bedrängnis am Ende der Endzone und ließ die deutschen Fans jubeln. Jetzt musste auch Österreich aus 25 Yards einen Touchdown erzielen, um im Spiel zu bleiben. Ein Trickspielzug der mit einem Pass von Christian Steffani auf Quarterback Gross endete, hob einmal mehr das Dach vom Stadion. Weil auch Kappel den Extrapunkt - wenn auch nur ganz knapp via Stange - verwertete, ging die Partie weiter.
Strafe kostet Titel
Jetzt bekamen die Österreicher als Erste die Chance, einen Touchdown zu erzielen. Doch diesmal konnten die Deutschen den Angriff stoppen. Kappel verwertete ein Fieldgoal aus 21 Yard sicher und ließ die Fans wieder vom Titel träumen. Doch sieben Spielzüge später standen die Deutschen zwei Yards vor der Endzone. Die Österreicher stoppten zwar den Angriff, aber wieder hatten die Referees eine Unsportlichkeit der Österreicher gesehen. Diese - äußerst kleinliche - Entscheidung brachte nicht nur die rot-weiß-rote Trainerbank auf die Palme.
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Teamchef Jakob Dieplinger musste seine Spieler nach der Niederlage trösten
Aber es half alles nichts. Denn ein zweites Mal ließen sich die Deutschen zur Entscheidung nicht bitten. Auch eine Strafe konnte den Titelverteidiger nicht aufhalten. Ehrenfried fand zum dritten Mal an diesem Abend Römer in der Endzone und entschied das Spiel zugunsten Deutschlands. Für Österreich endete die Heim-EM damit zwar enttäuschend, mit Silber steht aber dennoch der größte Erfolg im heimischen Football in den Geschichtsbüchern - wenn auch mit bitterem Beigeschmack.
Karl Huber, ORF.at
Football-EM, Finale
Samstag:
Österreich - Deutschland 27:30 n.V.
(0:14 9:0 0:0 8:3 / 10:13)
Wien, Ernst-Happel-Stadion, 27.000 Zuschauer
Scores Österreich: FG Kappel (21.), TD Walch (24.), TD Margreiter (38.), 2PT Gross (38.), TD Gross (OT), EP Kappel (OT), FG Kappel (OT)
TD = Touchdown
FG = Fieldgoal
2PT = Two-Point-Conversion
EP = Extrapunkt
OT = Verlängerung
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