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„Lächerliche“ Strafen im Finale

Das Finale der Football-EM 2014 in Österreich wird allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben. Nach einem dramatischen Schlagabtausch musste sich Österreich Deutschland knapp mit 27:30 geschlagen geben. Der verpasste Titel schlug den Gastgebern aber nicht so sehr auf den Magen wie die Leistung der Referees, die einer rauschenden Party am Ende einen fahlen Beigeschmack gab.

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„Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, leider sind wir in der Talstation angekommen“, sagte Runningback Andreas Hofbauer. Denn in der Verlängerung griff das Schiedsrichterteam rund um den Engländer Keith Wickham zweimal entscheidend zu Ungunsten der Gastgeber ein. Zweimal entschieden die Referees auf Unsportsmanlike Conduct - unsportliches Verhalten - der Österreicher, nachdem diese eine Angriffserie der Deutschen gestoppt hatten. Der Grund: Österreichs Verteidiger hatten sich in der Emotion für den Geschmack der Schiedsrichter zu viel gefreut und damit den Gegner verhöhnt.

„Wooh“ sagen verboten

Fingerspitzengefühl bei der Auslegung der Regel fehlte Wickham und Co. auf dem Höhepunkt der Partie aber völlig. Konnte man die Strafe gegen Matthias Rebel - er hatte einen nicht erfolgreichen Pass der Deutschen theatralisch abgewunken - noch mit viel Bauchweh nachvollziehen, fiel die Strafe gegen Ramon Azim nicht nur für AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck in die Kategorie „lächerlich“. In welcher Weise der Verteidiger einen Deutschen mit seinem Jubel verhöhnt hatte, wusste keiner. „Ich habe nur ‚wooh‘ gesagt und mich gefreut“, brachte erst Azim nach der Partie Licht ins Dunkel, „dafür eine Strafe zu bekommen, das verstehe ich nicht.“

Enttäuschte Österreicher

APA/Hans Punz

Bei den Österreichern saß der Frust über die Schlussphase tief

Der Verteidiger, beim Einmarsch Einpeitscher des Teams, war nicht der Einzige, der die Entscheidung der Referees nicht nachvollziehen konnte. „Der letzte Call war für mich fragwürdig, keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat“, sagte auch Hofbauer. „Das haben sich die Spieler nicht verdient. Es ist ein bisschen kleinlich gepfiffen worden, aber damit müssen wir leben“, sagte Teamchef Jakob Dieplinger im Kabinengang.

Der Tiroler versuchte zwar, seinen Ärger über die Referees zu verstecken, beim Wort „Schiedsrichter“ blitzte es in den Augen Dieplingers jedoch immer wieder auf. „Diese Penaltys haben uns schon aus dem Konzept geworfen“, sagte der Teamchef, „wenn es in die dritte Overtime gegangen wäre, wäre die Dramatik noch mehr gestiegen.“ Eschlböck war die Enttäuschung ebenfalls anzusehen: „Das ist Sport. Er kann sehr schön sein, aber auch manchmal sehr wehtun“.

Deutsche verstehen Ärger

Im deutschen Lager zeigte man Verständnis für den Ärger der Österreicher, die sich angetrieben von 27.000 Zuschauern von einem 14:0-Rückstand zurückgekämpft hatten. „Solche Strafen können eine Partie natürlich drehen. Und das ist leider auf beiden Seiten passiert“, sagte Niklas Römer, der nicht nur den entscheidenden Touchdown-Pass zum dritten EM-Titel fing, sondern mit drei Touchdowns auch Matchwinner für die Deutschen war.

Denn auch Deutschland wurde einmal Opfer der locker sitzenden Flaggen der Referees bei überschwänglichem Jubel. „Wir waren kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit in einer ähnlichen Situation nach dem weiten Pass auf Jan Hilgenfeldt“, sagte Römer. Die Schiedsrichter hatten es Hilgenfeldt übelgenommen, dass er sich über einen gefangenen Ball nach einem Pass über mehr als ein Drittel des Spielfeldes gefreut hatte. „Wir waren zu diesem Zeitpunkt in Fieldgoal-Distanz und hätten das Ding da schon dichtmachen können. Durch solche Aktionen wird das leider aber nichts.“


Niklas Roemer (GER) und Benjamin Bubik (AUT)

GEPA/Mario Kneisl

Römer war in den entscheidenden Phasen für die Deutschen zur Stelle

Zu viele Chancen ausgelassen

Österreichs Spieler und Trainer versuchten in der Stunde der bitteren Niederlage, Größe zu zeigen, und suchten die Fehler bei sich und nicht bei den, vielleicht auch aufgrund der Kulisse, überforderten Schiedsrichtern - so wie die Spieler blutige Amateure. „Man muss als Sportler auch mit Fehlentscheidungen der Schiedsrichter leben können. Man muss einfach so gut sein, dass es zu solchen Situationen überhaupt nicht kommt“, sagte Teamchef Dieplinger, „in der Phase, wo wir davonziehen hätten können, haben uns leider ein paar Plays gefehlt. Also ist es doch auch an uns gelegen.“

Runningback Hofbauer nahm sich und seine Mitspieler ebenfalls selbst an der Nase. „Aber wir können uns nicht darauf rausreden, wir hätten den Sack schon viel früher zumachen können. Kleinigkeiten haben das Spiel entschieden, am Ende waren wir die unglücklichere Mannschaft“, sagte der Tiroler, „Es ist für uns natürlich bitter, aber Deutschland hat es sich verdient, sie haben ein gutes Spiel gespielt. Wir können trotzdem stolz auf unsere Leistung sein.“

EM trotzdem ein Erfolg

Für den Österreichischen Footballverband war die Football-EM trotz des knapp verpassten Titels ein großer Erfolg. Die 27.000 Zuschauer im Happel-Stadion bedeuten einen neuen Rekord für Footballspiele in Österreich. Die Stimmung und Atmosphäre im weiten Oval legten die Latte für künftige Veranstalter hoch. Und auch der Ärger über die Schiedsrichter dürfte spätestens dann verraucht sein, wenn es für Spieler und Trainer zurück in die Arbeit oder auf die Universität geht.

„Wenn wir in ein paar Tagen zurückblicken, wird der Stolz schon wieder zurückkehren, auf das, was wir hier erreicht haben“, sagte Teamchef Dieplinger. Denn auch EM-Silber gab es in der österreichischen Footballgeschichte noch nie. Einige Teamspieler, die normalerweise bei den Vienna Vikings und Raiders Tirol spielen, haben bereits am Wochenende in der Big-Six-Liga die Chance zur Revanche für die Finalniederlage. Denn die Vikings treffen zu Hause auf die Dresden Monarchs, und die Raiders empfangen die Berlin Adler.

Karl Huber, ORF.at

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