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Qualiauftakt mehr als nur ein Fußballspiel

Noch vor zwei Jahren ist die Ukraine gemeinsam mit Polen stolzer Gastgeber der EM gewesen. Heute führt ein bewaffneter Konflikt zu bisher rund 3.000 Toten in dem Land. Das Auftaktspiel der EM-Qualifikation ist für Kiew daher viel mehr als nur eine sportliche Begegnung. Am Montag tritt die Ex-Sowjetrepublik gegen die Slowakei an. Für Teamchef Michail Fomenko stehen dabei nicht nur drei Punkte im Vordergrund.

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Der Coach hofft auf einen Moment der Einheit in Zeiten des Bürgerkriegs. Ein Sieg in der Quali, so Fomenko, wäre ein wichtiges Signal für die Ukraine. „Ich bitte die Fans, dass sie zu unserem zwölften Spieler werden“, sagte der 65-Jährige der Zeitung „Sport-Express“. Fußball war im zweitgrößten Land Europas schon immer mehr als nur ein Sport. Bei der EM 2012 wehten die blau-gelben Nationalfarben von Uschgorod im Westen bis Lugansk im Osten im Sommerwind.

Ukraine-Trainer Fomenko

APA/EPA/Sergey Dolzhenko

Ukraine-Coach Fomenko hat aktuell mehr Gedanken im Kopf als nur die Startelf

Der Stolz auf die Spieler aus allen Landesteilen einte den seit 1991 unabhängigen Staat wie selten zuvor. Nun kämpfen seit April Regierungseinheiten im Raum Donezk gegen prorussische Separatisten, und Fußballanhänger sind mit an vorderster Front: Ultras der Erstliga-Vereine stellen den Kern der Freiwilligenbataillone, die an der Seite der Armee marschieren.

Paraguay verweigerte Testspiel

Wie schwer es der Fußball in der Ukraine derzeit hat, zeigt das vor wenigen Tagen mit 1:0 gewonnene Testspiel gegen Moldawien. Eigentlich sollte die Ukraine gegen Paraguay spielen, aber die Südamerikaner verweigerten die Anreise in das Unruhegebiet. So blieb nur der wenig aussagekräftige Test gegen Österreichs EM-Qualifikationsgegner, derzeit 99. der FIFA-Weltrangliste.

Zu allem Überfluss verletzte sich auch noch Anatoli Timoschtschuk. Der Ex-Spieler von Bayern München erlitt einen Muskelfaserriss. Der 35-Jährige ist Kapitän des Nationalteams und als Spieler des russischen Spitzenclubs Zenit St. Petersburg der einzige Legionär im Kader. Alle anderen Akteure spielen in der ukrainischen Liga.

Konflikt schadet Clubfußball schwer

Die Ukraine startet mit der Partie gegen die Slowakei im Kiewer Olympiastadion einen neuen Versuch, sich für die Endphase eines großen Turniers zu qualifizieren. Bisher gelang das auf sportlichem Weg nur für die WM 2006 in Deutschland. Doch viele Spieler dürften anderes im Kopf haben als Flanken und Freistoßtricks. Der Krieg prägt auch den ukrainischen Vereinsfußball.

Gleich vier der 16 Premier-Liga-Mannschaften aus den umkämpften Städten Donezk und Lugansk müssen ihre Heimspiele in fremden Stadien austragen. Und mit der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist ein traditionelles Reservoir für Talente verloren gegangen. Die Ukraine protestiert massiv bei der FIFA gegen die Eingliederung der Teams aus Sewastopol und Simferopol in die dritte russische Liga.

Serienmeister Schachtjor Donezk konnte seine südamerikanischen Spieler nur unter Androhung von Vertragsstrafen zur Rückkehr aus dem Urlaub bewegen. Ausländische Spieler fürchten sich, in die krisengeschüttelte Ukraine zu übersiedeln, und Clubbesitzer scheuen Investitionen. So sind die Transferausgaben von 131 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 16 Millionen Euro zurückgegangen.

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