Die Erinnerung lebt weiter
Am 1. Mai jährte sich der Todestag von Ayrton Senna zum 20. Mal. Der Brasilianer starb am 1. Mai 1994 nach einem Unfall beim Grand Prix von San Marino. Am Tag davor hatte der Österreicher Roland Ratzenberger im Qualifikationstraining sein Leben verloren. Es war ein Wochenende, an dem „Gott seine schützende Hand von der Formel 1 nahm“, wie Niki Lauda sagte.
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Die dramatischen Ereignisse von Imola bleiben bei den Fans unvergessen. Davor hatte es fast zwölf Jahre und damit so lange wie noch nie zuvor keinen Renntoten in der Formel 1 gegeben. Doch an diesem Wochenende wurden mit vier schweren Unfällen und zwei Toten die Grenzen der vermeintlich bereits grenzenlosen Sicherheit aufgezeigt. Seit damals hat sich viel geändert, Autos und Rennstrecken wurden sicherer, und es gab auch keinen tödlichen Unfall mehr. Für Senna und Ratzenberger kam all das freilich zu spät.
Tausende Fans kamen am 1. Mai 2014 zur Gedenkfeier und gedachten im Autodromo Enzo e Dino Ferrari dem schwärzesten Formel-1-Wochenende der jüngeren Vergangenheit. Familienmitglieder, ehemalige Fahrerkollegen wie Gerhard Berger und Ex-Weltmeister Mika Häkkinen, aber auch die beiden aktuellen Ferrari-Piloten Fernando Alonso und Kimi Räikkönen waren bei der Gedenkfeier anwesend. Genau um 14.17 Uhr, als Senna damals am Rennsonntag in der siebenten Runde mit seinem Williams-Renault auf der welligen Piste in der Tamburello-Kurve in eine Betonmauer geprallt war, erinnerte die Menge schweigend an die Tragödie.

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Tausende Menschen drängten sich zur Gedenkfeier auf dem Kurs von Imola
Viele Fans deuteten während der Schweigeminute Richtung Himmel, so wie es ihr Idol Senna immer nach seinen Siegen zu tun pflegte. Nicht nur die Nichte des verunglückten Superstars war von der Anteilnahme 20 Jahre nach der Tragödie überwältigt. „Es ist sehr emotional, da es schon so lange her ist, aber die Liebe der Menschen noch immer lebt“, sagte Paula Senna Lalli, die stellvertretend für die Familie an der Gedenkfeier teilnahm: „Es sieht so aus, als ob Ayrton in den Herzen der Menschen weiterlebt. Und das ist schön.“
Steckbrief von Ayrton Senna
Geboren: 21. März 1960 in Sao Paulo
Gestorben: 1. Mai 1994 in Imola
Erstes Rennen: Juli 1973 Kartrennen in Interlagos
Erster Formel-1-GP: Brasilien 1984 in Rio de Janeiro (Toleman)
Erster GP-Sieg: Portugal 1985 in Estoril (Lotus-Renault)
GP-Starts: 161
GP-Siege: 41
Polepositions: 65
Schnellste Runden: 19
WM-Titel: 3 (1988, 1990, 1991)
Ein vermeintlich unaufhaltsamer Aufstieg
Der am 21. März 1960 in Sao Paulo geborene Ayrton Senna da Silva war so talentiert, dass er rasch nach seinem Wechsel nach Europa in die Formel 1 kam. Vor allem erarbeitete er sich schnell den Beinamen „Regengott“. 1985 gelang ihm der erste GP-Sieg. Es folgten 40 weitere und die drei Weltmeistertitel 1988, 1990 und 1991, alle mit McLaren. „The Magic“ stieg zum abgöttisch verehrten Volkshelden des bevölkerungsreichsten Landes Südamerikas auf.
Er war, so Gerhard Berger, „schon zu Lebzeiten eine Legende“. Der Tiroler war jahrelang Sennas Teamkollege bei McLaren und hält diesen nach wie vor für den „besten Rennfahrer aller Zeiten“. „Mit Abstand“, wie er betont. „Keiner war so schlau, so ehrgeizig, so konzentriert. Und das würde ich sogar auf Michael Schumacher und die heutige Generation mit Sebastian Vettel und Fernando Alonso ausweiten.“
Ungebremst in die Mauer
Die Saison 1994 hatte für Senna allerdings nicht gut begonnen. Er war zum Weltmeisterteam Williams gewechselt, um dort als Nachfolger seines früheren Teamkollegen und Intimfeindes Alain Prost ebenfalls seinen vierten WM-Triumph zu fixieren. Nach zwei Ausfällen kam er allerdings punktelos zum Europaauftakt nach Imola. Obwohl er von Ratzenbergers Tod sehr mitgenommen war, trat der 34-Jährige aus der Poleposition zum Rennen an. Nach einem Unfall am Start wurde das Rennen fünf Runden lang neutralisiert, in Runde sieben raste Senna dann in der Tamburello-Kurve in spitzem Winkel in eine Betonmauer. Beim Abflug war er mit 321 km/h unterwegs. Wie die Telemetriedaten ergaben, krachte er mit 214 km/h in die Mauer.

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Autowrack des am 1. Mai 1994 in Imola tödlich verunglückten Ayrton Senna
Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf saß der Brasilianer leblos im Wrack. „Wir haben gesehen, dass es Senna ist. Aber es hat geheißen, er scheint okay zu sein“, erinnert sich der damals viertplatzierte Karl Wendlinger. Auch der Tiroler hat nichts vergessen, obwohl er zwei Wochen später in Monaco selbst so schwer verunglückte, dass er wochenlang im Koma lag.
Michael Schumacher gewann das Rennen, erst rund vier Stunden nach dem Unfall bestätigte Maria Teresa Sandri, die Chefärztin der Maggiore-Klinik in Bologna, um 18.05 Uhr Sennas Tod im italienischen Sender RAI. Bis zu diesem Moment hatte noch die Hoffnung bestanden, der 34-Jährige könnte überleben. Als er vier Tage später in Sao Paulo zu Grabe getragen wurde, säumten Hunderttausende Menschen die Straßen. „Als ob eine Gottheit gestorben wäre“, erinnert sich sein langjähriger Physiotherapeut Josef Leberer. „Senna wäre im Williams über Jahre unschlagbar gewesen, einige andere wohl nicht Weltmeister geworden“, ist Berger, einer der Sargträger, heute noch überzeugt.

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Nigel Mansell, Jean Alesi, Heinz-Harald Frentzen, Michael Schumacher, Damon Hill und Aguri Suzuki 1995 in Imola bei einer Gedenkminute vor dem Rennen für Ayrton Senna und Roland Ratzenberger
Newey räumt Fehler ein
Der damalige Chefdesigner Adrian Newey sieht die Ursache für den Unfall heute eher in der kritischen Aerodynamik des Williams FW16 als in einem Bruch der Lenksäule. 20 Jahre nach dem Rennen räumt Newey erstmals ein, Fehler bei der Konstruktion des Autos gemacht zu haben. „Ich hatte mich bei der Aerodynamik des Autos verrechnet“, gestand der aktuelle Leiter von Red Bull Technology, im Gespräch mit „Auto Motor und Sport“ (Onlineausgabe). „Das Fenster an Bodenfreiheiten, in dem das Auto funktionierte, war zu klein.“ Das ist eine Theorie, warum Senna auf dem welligen Kurs in Imola auf den Bodenwellen der Tamburello-Kurve die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor.
Newey war die Problematik der Aerodynamik bei einem Test aufgefallen. „Ich stand an der Strecke und habe unser Auto beobachtet. Nogaro war wie Imola eine Strecke mit sehr vielen Bodenwellen. Mir wurde sofort klar, was das Problem unseres Autos war: Die Seitenkästen waren zu lang“. Dadurch riss beim Eintauchen des Autos vorne der Luftstrom im Diffusor ab, weil das vordere Ende der Seitenkästen der Strecke zu nah kam. „Aus heutiger Sicht hört sich das lächerlich an“, sagte Newey. „Aber wir hatten damals noch nicht die Werkzeuge, um das Problem vorher im Windkanal zu erkennen.“
Doch bis zum Rennen in Imola sei die Zeit zu kurz gewesen, um den Williams entsprechend zu modifizieren. „Der Auftrag war, die Seitenkästen zu verkürzen, aber das haben wir für Imola aus Zeitgründen natürlich nicht mehr hingebracht“, so Newey.
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