Themenüberblick

Katastrophe im Hillsborough-Stadion

Am 15. April 2014 hat sich jene Tragödie zum 25. Mal gejährt, die 1989 96 Menschen das Leben gekostet und gleichzeitig einen Wendepunkt in der Entwicklung des englischen Fußballs dargestellt hat. Im Hillsborough Stadium, der Heimstätte von Sheffield Wednesday, musste das FA-Cup-Semifinale zwischen Liverpool und Nottingham Forest in der sechsten Minute abgebrochen werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Ausmaße der Katastrophe, die nicht durch Hooligans, sondern Polizeiversagen ausgelöst wurde, bereits absehbar. Aufgrund des großen Andrangs vor dem Sektor der Liverpool-Fans an der Leppings Lane ließ die Exekutive einen zusätzlichen Eingang zum Mittelblock öffnen. Um den Anpfiff nicht zu verpassen, drückten und stießen kurz vor Anpfiff Hunderte von Fans, um schneller Einlass zu erhalten. Die sieben Drehkreuze hielten dem Andrang nicht stand, die Beamten waren überfordert.

Gedenktafel zur Hillsborough-Tragödie

picturedesk.com/Action Press

Eine Gedenktafel vor dem Stadion erinnert an die Tragödie aus dem Jahr

Der fatale Fehler war, im Zeitdruck eine Tür zu öffnen, die eigentlich als Ausgang diente. Dadurch strömte die Masse in den ohnehin schon überfüllten unteren Liverpooler Fansektor im Hillsborough Stadium. Der Sektor war schnell überfüllt, und plötzlich waren 3.000 Personen in dem für maximal 1.600 Menschen vorgesehenen Block zwischen den nachdrängenden Massen und einem unüberwindbaren Metallgitterzaun eingequetscht. Worauf jene Leute in den vordersten Reihen gegen die Absperrungen gedrückt, andere in Panik zertrampelt wurden. Als die ersten Fans bereits tot waren, wurde das Spiel nach sechs Minuten abgebrochen.

Zuschauer aus den oberen Rängen helfen Fans auf dem Platz über die Bande

picturedesk.com/Rex Features

Einige Fans bekamen Hilfe von den oberen Rängen

94 Fans kamen an jenem Frühlingstag ums Leben, die 14-jährige Lee Nicol erlag vier Tage später im Krankenhaus ihren Verletzungen. Das 96. Todesopfer, Tony Bland, lag fast vier Jahre lang im Koma und starb im März 1993. 766 Menschen wurden verletzt, Hunderte trugen schwere Traumata davon, unter denen sie zum Teil bis heute leiden.

Lange Aufarbeitung

Die Aufarbeitung der Vorfälle in Hillsborough ist auch heute noch nicht abgeschlossen. Denn erst eine Onlinepetition, die erste in der Geschichte der englische Demokratie, mit dem Namen „Justice for the 96“ brachte das Unterhaus des Parlaments im Oktober 2011 überhaupt dazu, die unter Verschluss gehaltenen Akten endlich freizugeben.

Nach der berührenden Rede des Bruders eines in Hillsborough ums Leben gekommenen Fans geschah das ohne eine einzige Gegenstimme. Der 2012 veröffentlichte Bericht stellte Fehler der Polizei- und Rettungskräfte sowie falsche Schuldzuweisungen fest. Polizei und Retter hätten bei der Massenpanik nicht schnell genug reagiert. Später hätten sie versucht, die Verantwortung auf die Opfer zu schieben.

Falsche Schuldzuweisungen

Viele sahen die Schuld beim damaligen Polizeichef David Duckenfield, weil er kurz vor Anpfiff das Tor öffnen ließ. Später versuchte Duckenfield, seinen Befehl zu leugnen - die Fans hätten das Tor in ihrem Suff selbst aufgebrochen, behauptete er. 1999 berichtete der „Daily Telegraph“, dass Aussagen von über 100 in Hillsborough eingesetzten Polizisten von ihren Vorgesetzten geändert worden waren.

Jack Straw, der damalige Innenminister, ordnete eine neue Untersuchung an, doch der beauftragte Richter kam zu dem Schluss, die gestrichenen Stellen seien nicht relevant genug. Darunter waren Aussagen, die das Verhalten der verantwortlichen Beamten deutlich kritisierten - sie ließen etwa die Tore zum Spielfeld viel zu spät öffnen.

„Sun“ entschuldigt sich nach 15 Jahren

Für Aufsehen sorgte nicht nur die Vorgehensweise der Exekutive, sondern auch die Berichterstattung der „Sun“ unmittelbar nach dem Unglück. Die Zeitung schrieb unter dem Titel „The Truth“ über „betrunkene“ Liverpool-Fans, die das Unglück selbst auslösten und anschließend Verstorbenen die Geldbörsen stahlen, sich an toten Mädchen vergingen und auf helfende Polizisten urinierten. Erst 2004 rang sich das auflagenstärkste Blatt Großbritanniens zu einer Entschuldigung durch und sprach vom „schrecklichsten Fehler in der Geschichte der Zeitung“.

Premierminister leistet Abbitte

Premierminister David Cameron entschuldigte sich im September 2012 bei den Hinterbliebenen für die Vertuschungen von Behörden - unter anderem entfernten sie negative Passagen aus Berichten - und die schweren Fehler von Polizei- und Rettungskräften. Gemäß einem unabhängigen Gutachten hätten 41 der 96 Opfer gute Überlebenschancen gehabt, wenn sie schneller medizinische Hilfe erhalten hätten.

Und im April 2014 haben neue Untersuchungen zur Tragödie von Hillsborough begonnen. Allein die Anhörungen könnten bis zu zwölf Monate dauern.

Links: