Eine Busfahrt in die nahe Zukunft
„Hop on, hop off“ mit dem offenen Bus durch Doha macht Lust auf die nächsten abendlichen Vorlesestunden aus „Bob der Baumeister“. Die Durchführung der Handball-WM 2015, Leichtathletik-WM 2019 und Fußball-WM 2022 ließen es erahnen. Doch eine Fahrt vorbei an unzähligen Baustellen, für die das Attribut „groß“ eine Verhöhnung wäre, macht einen sicher: Katar meint es mit der „Vision 2030“ ziemlich ernst.
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Neben den sportlichen Großveranstaltungen - nebenbei holte man auch Straßen-Rad-WM 2016 und Turn-WM 2018 - steht eine leistungsfähige allgemeine Infrastruktur im Zentrum der monumentalen Planungen des Emirats. Für umgerechnet 50 Milliarden US-Dollar werden in den nächsten Jahren ein U-Bahn-Netz in Doha (vier Linien) und ein landesweites Schienennetz für den Zugsverkehr über insgesamt 325 Kilometer gebaut. Die gigantischen Schächte für die „Doha Metro“ durchpflügen bereits die baldige Millionenstadt in der Wüste.

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Große Gebiete in und um Doha sind Baustellen für Straßen, Stadien und U-Bahn
Von WM-Arenen bis Meeresbrücken - alles ist möglich
Auf der To-do-Liste für die nächsten Jahre stehen auch noch einige andere Kleinigkeiten: Zum Beispiel zwölf WM-Stadien mit Kapazitäten zwischen 60.000 und 80.000 Plätzen - errichtet werden sie allesamt innerhalb einer Fläche so groß wie Oberösterreich. Oder eine entsprechende Anlage für die Leichtathletik-WM 2019, die dann eventuell bis zu den anvisierten Olympischen Sommerspielen 2024 oder 2028 stehenbleiben könnte und vielleicht sogar international genutzt wird.
Geld spielt in Katar im wahrsten Sinne des Wortes keine Rolle. Wenn täglich um 80 bis 100 Millionen US-Dollar flüssiges Erdgas exportiert wird und auch noch der eine oder andere Tropfen Öl unter der Oberfläche des Emirats auf Förderung wartet, gibt es in den Planungen keine Grenzen. Die 45 Kilometer lange „Brücke der Freundschaft“ über das Meer von Katar nach Bahrain, die in den nächsten Jahren realisiert werden soll, ist das beste Beispiel dafür. Wird man mit dem Bus auf die gewaltige künstliche Inselwelt „The Pearl“ gebracht, wo Luxuswohnungen (für rund 40.000 Zahlungskräftige), Villen und sogar eigene Privatinseln für Superreiche angelegt wurden, denkt man sich auch seinen Teil.

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Zufahrt zur künstlich aufgeschütteten Inselwelt „The Pearl“, wo weiter gebaut wird
Jänner-Temperaturen wären Fußball-WM-tauglich
Was das Klima betrifft, dürfte der Plan der FIFA, die Fußball-WM 2022 im Dezember oder Jänner abzuhalten, ausnahmsweise durchdacht sein. Denn in den Tagen der Handball-WM bewegen sich die Temperaturen tagsüber bei Sonnenschein um die 20 Grad, am Abend kühlt es noch merklich ab. Wäre am vergangenen Sonntag schon Fußball gespielt worden, hätte sogar eine echte „Regenschlacht“ getobt. Bis zur FIFA-WM sollen natürlich auch zahlreiche neue Luxushotels (es gibt schon viele) gebaut werden. Neue Straßen und Bahntrassen für Hochgeschwindigkeitszüge werden bis dahin auch fertiggestellt sein.
Wer das alles baut? So viel zuerst: nicht die Katarer. Hunderttausende Einwanderer aus Indien, Pakistan, Sri Lanka und Nepal werden auf den Megabaustellen in und rund um Doha eingesetzt. Deren Bezahlung, Arbeitszeiten und Arbeitsverhältnisse werden seit Jahren von internationalen Medien wie Menschenrechtsorganisationen immer wieder angeprangert. Glaubt man der Dame im Ohrstöpsel des Busrecorders, würde der Emir aber niemals Unrecht dulden. Ausbildung, Kultur und die „Balance“ im Zusammenleben zwischen Mann und Frau seien die obersten Prinzipien. Was den Wohlstand der rund 300.000 Katarer selbst betrifft, kann man dem Staatsoberhaupt auch wenig vorwerfen.

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Die prächtige Skyline von Doha wird in den nächsten Jahren rasant wachsen
Über der Bucht, vor der beeindruckenden Skyline kreisen an einem Wochentagsvormittag die Privathelikopter wie in unseren Kreisen die Kinderwägen im Park. Für jeden der unzähligen Wolkenkratzer entlang der Küste kommt mindestens ein weiterer in Bau befindlicher Koloss. Die Ausmaße der Baustellen und die Anzahl gelber Bauhelme in ständiger Bewegung sprengen jede Vorstellungskraft. Welche Aufgaben sich Katar in den nächsten Jahren auch stellen mag - man kann sicher sein, dass es gelingen wird. Inwiefern internationale Sportverbände und Regierungen dabei mitspielen müssen, steht auf einem anderen Blatt.
Harald Hofstetter, ORF.at, aus Doha
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