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Die Zeichen stehen auf Fußballfest

Die erste Nacht im Euromobil hat für die Besatzung wertvolle Erkenntnisse gebracht: Wird einer munter, sind alle wach. Bei geschlossenen Fenstern und sechs Paar Schuhen an Bord droht Schlaf in Bewusstlosigkeit überzugleiten. Und die Nasszelle mit Dusche/WC erfordert artistische Fähigkeiten auf Cirque-du-Soleil-Niveau. Nichtsdestotrotz wurde die morgendliche Fahrt von Klosterneuburg durch Wien taufrisch in Angriff genommen.

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Auf dem Programm stand schließlich die offizielle Verabschiedung des Euromobils durch den französischen Botschafter. Pascal Texeira da Silva empfing uns vor dem Botschaftsgebäude am Schwarzenbergplatz. Als Begleiter hatte der Botschafter überraschend einen ehemaligen Weltklassefußballer an seiner Seite. Didier Six, langjähriger französischer Nationalspieler und Europameister 1984, gesellte sich zur Runde in der Botschaft.

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Jour 2

Verabschiedet vom französischen Botschafter geht es Richtung Westen. Auf den Spuren der EM 2008 führt die Route nach Frankreich. Ein Schweizer „Oranje-Maniac“ in Bern bringt die Besatzung in EM-Stimmung.

Erstes Gesprächsthema waren die Schwierigkeiten, die Frankreich vor der EM beschäftigen. Gewerkschaftliche Streikmaßnahmen im Kampf gegen die Arbeitsmarktreform der französischen Regierung, Pilotenstreik, Demonstrationen, Benzinknappheit waren nicht die Schlagzeilen, die das offizielle Frankreich vor dem Start der Euro produzieren wollte. „Dazu Überschwemmungen, politischer Streit und schlechte Laune. Jetzt wird es Zeit für ein bisschen mehr Fest“, verlieh Da Silva seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Fans aus ganz Europa das andere, das prachtvolle und stimmungsvolle Frankreich kennenlernen könnten.

Botschafter erzeugt Vorfreude auf Provence

„Der größte Trumpf Frankreichs ist seine Vielfalt“, beschrieb der Botschafter seine Heimat. „Kultur, Kunst, Musik, wunderschöne Landschaften und Städte, Sport und Festivals erwarten die Zuschauer bei der EM“, so Da Silva. „Gerade in der Provence, wo die österreichische Mannschaft wohnen wird, gibt es viel zu sehen“, beschrieb er die Region um das ÖFB-Camp in Mallemort mit den bekannten Touristenzielen Avignon, Arles und Aix-en-Provence.

Pascal Texeira da Silva

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Das Euromobil stattete auch der französischen Botschaft einen Besuch ab

Angst vor Terror und Bedenken, dass die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen die EM überschatten könnten, vermittelte der Botschafter nicht. Im Gegenteil: „Ich bin sicher, dass die Behörden alles unternommen haben und unternehmen werden, um größtmögliche Sicherheit zu schaffen.“ Im Vorfeld der EM habe es engen Kontakt und Kooperation zwischen den Behörden und Verbänden der teilnehmenden Nationen und Frankreich gegeben.

Beste Wünsche vor erstem Gewitter

Zu den Chancen der österreichischen Mannschaft meinte „Monsieur l’Ambassadeur“ diplomatisch: „Man muss kein großes Land sein, um erfolgreich zu sein!“ Didier Six wiederum sieht die Österreicher in einer sehr guten Position. „Das ist eine junge Mannschaft, die mit der Qualifikation schon sehr viel erreicht hat“, meinte der WM-Teilnehmer von 1978 und 1982 mit den „Bleus“, der an der Seite von Michel Platini die Heim-EM 1984 für Frankreich geholt hatte. Ähnliches traut er seinen Landsleuten auch heuer zu. „Wenn es gelingt, den Erwartungsdruck zu verarbeiten, ist alles möglich.“

Nach der herzlichen Verabschiedung durch den Botschafter verließ das Euromobil Wien in Richtung Westen. Vorbei an der Salzburger EM-Arena von 2008 über München bis Bregenz führte die erste 650 km lange Etappe. Am Bodensee Sea Camping verbrachten wir die zweite Nacht unseres EM-Trips, heftiges Gewitter und auf das Dach trommelnder Starkregen inklusive. Am Mittwochvormittag ging es weiter in die Schweiz. Zürich und die Redaktion des „Blick“, der größten Tageszeitung des Landes, waren das nächste Ziel.

Der Mann aus dem „Tal der Ahnungslosen“

Marcel Perren, seit zehn Jahren der „Blick“-Reporter im alpinen Skiweltcup, empfing die Euromobil-Crew im Newsroom. Fast 300 Arbeitsplätze für Print, Online, Online-TV und Radio, alle besetzt, verliehen der Redaktion eine beeindruckende Dimension. Der eigentliche Grund, warum wir den 40-jährigen Perren im Anschluss mit nach Bern nahmen, ist aber seine fanatische Leidenschaft für das niederländische Fußballnationalteam. Und wie es dazu kam, erklärte uns der Vollblutsportjournalist schließlich im Berner Wankdorf-Stadion, Schauplatz des „Wunders von Bern“ 1954 und sportliche Heimat der Young Boys Bern.

ORF.at-Redakteur mit Kollegen

ORF.at

„Blick“-Reporter Marcel Perren begleitete das Euromobil nach Bern

„Ich komme aus dem Simmental, dem Tal der Ahnungslosen, wie es in der Schweiz genannt wird“, erzählte Perren über seine Wurzeln. „Und zwar deshalb, weil wir dort viele Jahre nur drei TV-Sender sehen konnten und keinen Satellitenempfang hatten. Erst als unser Nachbar in den späten 80er Jahren eine riesige Satellitenschüssel kaufte, konnten wir zumindest einige niederländische Sender empfangen.“ Zur Zeit der Hochblüte der Stars Ruud Gullitt, Frank Rijkaard und Marco van Basten entwickelte Perren so seine Leidenschaft für „Oranje“, die ihn nie wieder losließ.

Erinnerungen an bewegte Zeiten

2008 bei der Heim-EM für die Schweiz und Österreich spielten die Niederländer ihre starke Gruppenphase mit Siegen über Italien, Frankreich und Rumänien in eben jenem Wankdorf-Stadion in Bern. Perren berichtete über die grandiose Vorrunde der Niederländer an Ort und Stelle – auch als dann im Viertelfinale in Basel gegen Russland das jähe Aus kam. Was den „Oranje“-Maniac aber nachhaltig beeindruckte, war die unglaubliche Stimmung, die damals mehr als 100.000 Fans aus den Niederlanden nach Bern und Umgebung brachte.

In Interlaken nahe Bern hatte sich vor acht Jahren eine ganze Stadt aus Wohnmobilen, Wohnwägen und Zelten gebildet, die zwei Wochen lang regelrecht kochte. „Die Niederländer haben der Schweiz damals die EM gerettet. Denn unsere ,Nati’ war ja bereits nach zwei Spielen ausgeschieden“, erinnerte sich Perren mit leuchtenden Augen. „Nach dem 3:0-Sieg gegen Italien habe ich wie in Trance eine Doppelseite geschrieben – und am nächsten Tag lautete die Schlagzeile: ,Ab heute sind wir alle Holländer.’“

Da soll noch einer sagen, die Schweizer wären nicht für Überraschungen gut. Den bei Wolkenbruch und Stau wenig genussvollen Weg von Zürich nach Bern mussten wir dank Marcel jedenfalls nicht bereuen. Verabschiedet vom Botschafter, begleitet vom Schweizer „Oranje“-Maniac, was soll da auf der nächsten Strecke zum ÖFB-Camp in die Provence noch schiefgehen? Die EM-Stimmung steigt jedenfalls gewaltig.

Harald Hofstetter, ORF.at, aus dem Euromobil

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