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Zwischen Genie und Totalausfall

Öffentliche Personenwahl, Medienspektakel, quasi-sozialistisches Arrangement und Risikospiel: Im hektischen Getriebe der großen US-Ligen hat sich der Draft-Mechanismus längst als unverzichtbares, nicht hinterfragbares Ritual etabliert. In der Nacht auf Freitag ergatterte der Wiener Jakob Pöltl in New York auf diese Weise seinen Traumjob als NBA-Profi.

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Wenn die Chefs der 30 NBA-Teams ihre Draft-Selektionen ausklüngeln, kann es schon passieren, dass die Gewichte in der populärsten Basketball-Liga der Welt auf Jahre hinaus radikal verschoben werden. Ein einziger geglückter Draft kann das Schicksal eines Clubs für immer zum Besseren verändern. Zugleich können sich die Verantwortlichen aber auch gehörig verspekulieren, wenn sich ein vermeintliches Supertalent als verletzungsanfälliger „Rohrkrepierer“ entpuppt.

„Draft Day“ als D-Day im Basketball

Vor jedem „Draft Day“ spielen die Verantwortlichen in der NBA folgenschwere Gedankenspiele immer und immer wieder durch. Mit bestenfalls nur einer geglückten Entscheidung kann man ein Loser-Team in eine zukünftige Meister-Dynastie verwandeln. Gleichzeitig ist das Risiko, einen seiner kostbaren Picks zu vergeuden, immer gegeben. Eine Übersicht über kluge und nicht so glückliche Auswahlen:

Portlands Fehlgriff mit der Nummer eins

1972 - Portland Trail Blazers: LaRue Martin, Nummer eins. Der ultimative Draft-Flop: Der Center brachte es in vier NBA-Jahren nur auf einen Schnitt von 5,3 Punkten und 4,3 Rebounds. Ein Jahr vor dem Titelgewinn der Trail Blazers 1978 beendete er seine Karriere. Die nach ihm gezogenen Bob McAdoo und Julius Erving hingegen entwickelten sich zu nationalen Stars und sind heute in der Basketball-„Hall of Fame“.

1979 - Los Angeles Lakers: Earvin Johnson, Nummer eins. Mit Ausnahmetalent „Magic“ Johnson leiteten die Lakers den Umschwung ein und legten das Fundament für ihre Dominanz in den 1980er Jahren. Der vielseitige Aufbauspieler führte das Team bereits in seinem ersten Jahr zum Titel. Bis 1988 wanderten noch vier weitere Meisterschaften nach „Tinseltown“.

Portland lässt Chance auf Jordan aus

1984 - Portland Trail Blazers: Sam Bowie, Nummer zwei. Portland investierte in den 2,17-Meter-Mann von den Kentucky Wildcats den zweiten Pick, womit man aber auf einen gewissen Michael Jordan verzichtete. Der Club aus Oregon wollte unbedingt einen Center. Nachdem Hakeem Olajuwon als Einser-Pick von den Houston Rockets gezogen wurde, optierte man für Bowie, der in seiner Karriere auf einen Schnitt von 5,6 Punkten und 3,8 Rebounds kam.

1984 - Chicago Bulls: Michael Jordan, Nummer drei. Die Anhänger der Trail Blazers ärgern sich noch heute: Während Bowie bei drei NBA-Teams nicht über den Status als Mitläufer hinauswuchs, reifte Jordan - ironischerweise mit Hilfe einer Sportartikelfirma aus dem Ballungsraum Portland (Nike) - zur stratosphärischen Berühmtheit. Mit den Bulls holte er in den 1990er Jahren zweimal den Titelhattrick und war fünfmal wertvollster Spieler der Liga (MVP).

Archivbild von Earvin "Magic" Johnson

AP/Al Messerschmidt

„Magic“ Johnson war ein Nummer-eins-Pick, der bei den Los Angeles Lakers in den 1980er Jahren eine Ära der Dominanz einläutete

Draft Nummer drei mit 3,1 Punkten

1986 - Golden State Warriors: Chris Washburn, Nummer drei. Der Center spielte nur zwei Saisonen in der NBA, schaffte gerade einmal magere 3,1 Punkte und 2,4 Rebounds, ehe er wegen Drogenvergehen 1989 auf Lebenszeit gesperrt wurde. Nach seiner Basketball-Karriere, die ihn auch nach Argentinien, Kolumbien und in die Schweiz führte, war er zeitweise obdachlos, versuchte sich als Fast-Food-Unternehmer und wurde verhaftet. Nach ihm wurde 1986 etwa Dennis Rodman gedraftet.

1993 - Philadelphia 76ers: Shawn Bradley, Nummer zwei. Der praktizierende Mormone wurde als kommender Star und einer der dominantesten NBA-Center gehandelt. Der 2,29-Meter-Riese spielte 14 Jahre in der NBA und ergatterte neben Michael Jordan und Bugs Bunny sogar eine Nebenrolle in „Space Jam“ (1996), konnte dieses Versprechen aber nie erfüllen. Die 76ers verzichteten für ihn neben anderen auf Penny Hardaway und Allan Houston.

Brown als Fehlgriff für Washington

2001 - Washington Wizards: Kwame Brown, Nummer eins. Brown ist ein weiterer Center, der die Erwartungen bei Weitem nicht erfüllte. Für viele gilt der erste Basketballer, der direkt von der Highschool als Nummer eins gedraftet wurde, als größtes Draft-Fiasko überhaupt. Washington hätte - um nur drei zu nennen - für Brown auch Pau Gasol, Tyson Chandler oder Tony Parker engagieren können. 2013 beendete er seine Laufbahn mit einem Schnitt von 6,6 Punkten und 5,5 Rebounds.

2003 - Cleveland Cavaliers: LeBron James, Nummer eins. „King James“ war der König eines der bisher talentiertesten Draft-Jahrgänge. Dass sein Heimatteam den ersten Pick in Händen hielt, schien wie eine perfekte Fügung des Schicksals: James sollte den Cavaliers den ersten Titel überhaupt bescheren. Zwischenzeitlich wechselte der Allrounder zu Miami Heat und holte in Florida zwei Meisterschaften, kehrte aber 2014 nach Ohio zurück und erfüllte 2016 seine Titelmission.

Nummer zwei wird in der Folge Kickboxer

2003 - Detroit Pistons: Darko Milicic, Nummer zwei. Der Center bekam von den Detroit den Vorzug gegenüber Carmelo Anthony, Chris Bosh und Dwyane Wade. Der Serbe brachte es in seiner zwölfjährigen Karriere in den USA auf enttäuschende 6 Punkte und 4,2 Rebounds. 2013 beendete er seine Laufbahn, um sich als Kickboxer zu versuchen. Ein Comeback-Versuch in seinem Heimatland scheiterte.

2007 - Portland Trail Blazers: Greg Oden, Nummer eins. Wieder bewies Portland ein unglückliches Händchen. Mit dem Einser-Pick entschied man sich für den Center und nicht den kleineren Forward Kevin Durant, der sich mittlerweile MVP, vierfacher Scoring-Champion und Olympiasieger (2012) nennen darf. Oden kam auch wegen zahlreicher Verletzungen nie auf die Beine und absolvierte nur 105 Partien in der NBA. Zuletzt spielte er in der chinesischen Liga bei den Jiangsu Dragons.

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