Personal für Spiel der letzten Chance
Zum ersten Mal seit längerer Zeit hat vor einer Kaderbekanntgabe des österreichischen Fußballteamchefs Marcel Koller Spannung geherrscht. Denn der überraschende Teamrücktritt von Keeper Ramazan Özcan und die aktuelle Hochform von Schalke-Stürmer Guido Burgstaller brachten Schwung in die Personalüberlegungen vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Moldawien.
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Wer am 24. März (20.45 Uhr, live in ORF eins) im Wiener Ernst-Happel-Stadion stürmen und wer in Abwesenheit des verletzten Robert Almer nun die Nummer eins im Tor der Österreicher sein wird, ließ sich Koller vergangene Woche freilich nicht entlocken. Zumindest war nach der Pressekonferenz im Hotel Palais Hansen Kempinski aber klar, dass Burgstaller in die Nationalmannschaft zurückkehrt. Und neben Andreas Lukse sowie Heinz Lindner nominierte Koller erstmals den jungen Daniel Bachmann.

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Marcel Koller erläuterte seine personellen Überlegungen
Der bei Stoke City in England noch in der Reservemannschaft tätige Keeper ist auch nicht der einzige Debütant in der ÖFB-Auswahl für Moldawien und den vier Tage später folgenden Test gegen Finnland im Innsbrucker Tivoli-Stadion. Auch Salzburg-Außenverteidiger Stefan Lainer schaffte es aufgrund konstant guter Leistungen in der österreichischen Bundesliga erstmals in das A-Team. „Ich freue mich auf die Spieler“, leitete Koller nach vier Monaten Länderspielpause seine Ausführungen zum ersten Kader des Jahres 2017 ein.
„Blaues Trikot“ für den Schalke-Torjäger
Gleich sehr auskunftsfreudig wurde er bei der Personalie Burgstaller, der in den letzten Wochen bei Schalke zum Torjäger vom Dienst avancierte. Im ÖFB-Team gelang dem Kärntner in bisher neun Länderspielen noch kein Treffer, wie Koller auch anführte. Das soll sich so schnell wie möglich ändern. „Er ist extrem viel unterwegs, reißt Löcher, ist beidfüßig und schießt Tore“, fasste der Teamchef die jüngsten Auftritte von Burgstaller im Trikot der Schalker zusammen. Auch die Ruhe vor dem Tor, die ihm bei seinen letzten Teameinsätzen vor zwei Jahren noch gefehlt habe, sei vorhanden.
Gut auch, dass Burgstaller Schwung und Torgefährlichkeit von Nürnberg zu Schalke mitgenommen habe, betonte Koller. „Er hat gleich ab dem ersten Spiel getroffen und damit keine Diskussionen entstehen lassen. Jetzt kommt er mit einer ganz dicken Brust zu uns“, so der ÖFB-Headcoach, der nun auch auf die ersten Burgstaller-Tore für Österreich hofft. „Dass er die Tore reinballert, dass es nur so kracht“, konkretisierte Koller diese Hoffnung mit einem Schmunzeln. „Vielleicht sollten wir ihm ein blaues Trikot anziehen. Dann hat er das Gefühl von Schalke“, fügte er im Spaß hinzu.
Wieder ernst, attestierte Koller dem Rückkehrer: „Guido hat sich mental weiterentwickelt. Schalke ist kein kleiner Verein. Dort herrscht viel Druck, eine hohe Erwartungshaltung.“ Druck ist auch ein gutes Stichwort, wenn es um die Ausgangslage der Österreicher in der WM-Qualifikation geht. „Ich habe ja schon ein paar Jahre als Trainer auf dem Buckel“, meinte Koller angesichts des akuten Siegeszwangs gegen Moldawien. „Ich weiß schon, um was es geht, und kann damit umgehen. Aber Fakt ist auch, dass wir es nicht herbeireden können. Wir müssen es auf dem Platz zeigen.“
Appell an die Fans und Überlegung Doppelspitze
Nicht auf dem Platz zeigen dürfen es Alessandro Schöpf und Julian Baumgartlinger, die gegen Moldawien gesperrt sind. Im Hinblick auf das Finnland-Spiel und ihre generelle Bedeutung für das Team will sie Koller aber trotzdem über die gesamte Dauer des neuntägigen Lehrgangs dabei haben. Einen abschließenden Appell richtete der Teamchef noch an die österreichischen Fans, die bisher 17.000 von 48.000 aufliegenden Tickets für das WM-Qualimatch erwarben: „Wir sehen noch Chancen und wir brauchen den zwölften Mann.“
Koller kann sich gegen wahrscheinlich defensiv eingestellte Moldawier auch vorstellen, Burgstaller und Marc Janko gemeinsam an vorderster Front zu bringen. „Sicher überlegen wir, mit ein, zwei oder drei Stürmern zu spielen.“ Für eine Entscheidung sei es aber zu früh, zumal Janko wegen Oberschenkelproblemen zuletzt nicht spielte. Der Basel-Legionär soll aber rechtzeitig fit werden.
Einserfrage: Lukse oder Lindner?
Özcan hatte den Teamchef mit seinem intern am vergangenen Sonntag kommunizierten Abschied ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, wie Koller andeutete. Dennoch dankte er dem Leverkusen-Ersatzgoalie, der aus familiären Gründen Abschied nahm, noch einmal und betonte den „extrem hohen Wert“, den Özcan aus Kollers Sicht für die Mannschaft hatte. Da Almer noch das gesamte Frühjahr ausfällt, hat Koller nun die Wahl: Vertraut er auf Lukse, der bei Altach zuletzt wegen Muskelproblemen pausierte, aber am kommenden Wochenende in Ried wohl wieder fit sein wird?

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Heinz Lindner (l.) oder Andreas Lukse lautet Kollers Einserfrage
Oder lässt er Lindner spielen, der bei Eintracht Frankfurt nur auf der Bank sitzt? „Für eine Entscheidung ist es noch zu früh“, stellte Koller klar. Er wolle sich ab Montag im Training einen Eindruck verschaffen und davor natürlich beobachten, ob und wie Lukse seine Verletzungspause verarbeitet hat. Was laut Koller für Lindner spricht, ist seine Erfahrung. Und die Tatsache, dass er bei Frankfurt in dieser Saison schon in zwei Partien gezeigt habe, dass er den „Kaltstart“, das kurzfristige Einspringen ohne Praxis, hinbekomme.
Bei Neuling Bachmann (22) vertraute der Teamchef auf die positiven Informationen aus dem U21-Team und auf die Eindrücke, die ÖFB-Tormanntrainer Klaus Lindenberger bei den Beobachtungen des talentierten Keepers sammelte. „Auch wenn er bei Stoke noch nicht in der ersten Mannschaft spielt, wissen wir um sein Talent und seine Qualitäten“, so Koller. Marco Knaller (29) vom deutschen Zweitligisten Sandhausen spielt beim Schweizer weiter keine Rolle, obwohl er regelmäßige Einsätze verbucht. „Wir haben ihn beobachtet. Als Nummer eins sehen wir ihn jetzt nicht. Und für die Zukunft setzten wir auf die jüngere Variante“, erklärte Koller.
Lainers Freud’ ist Kleins Leid
Lainer (24) als neuer Außenmann auf der rechten Seite brachte den ÖFB-Cheftrainer geradezu ins Schwärmen. „Er ist ein Spieler mit enorm viel Mentalität, der nie aufgibt und viel Energie mitbringt. Er übernimmt beim Tabellenführer Salzburg viel Verantwortung, marschiert die Linie rauf und runter und ist auch torgefährlich“, sagte Koller über die heiße rot-weiß-rote Red-Bull-Zukunftsaktie. „Er spielt regelmäßig, ist gut drauf und wird mit viel Selbstvertrauen kommen. Er hat es sich verdient, dabei zu sein.“
Des einen Freud, des anderen Leid: Florian Klein, in den letzten fünf Jahren unter Koller doch so etwas wie eine Stammkraft, ist diesmal nicht dabei. Der Außenverteidiger büßte seinen Platz in der Mannschaft des VfB Stuttgart und damit auch bei Koller ein. „Es tat weh, ihm das mitteilen zu müssen“, gestand der Teamchef. „Für ihn ist das eine schwere Phase. Und letztlich ist es immer eine Frage der Alternativen.“ Die habe man rechts. Und links das Dauerthema: David Alaba vielleicht doch auf der Außenverteidigerposition? „Dass er dort spielen kann, weiß ich, habe ich nie bestritten“, so Koller.
Er hat vor, an der defensiven Dreierkette zu arbeiten. „Das ist nicht erst seit heute ein Thema“, bestätigte der Schweizer. Mit Aleksandar Dragovic, Martin Hinteregger, Sebastian Prödl, Kevin Wimmer und Michael Madl befinden sich zudem fünf gelernte Innenverteidiger im Kader. Alaba könnte also in dem neuen System durchaus linker Außenspieler sein. Bisher lehnte Koller das immer ab.
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Harald Hofstetter, ORF.at