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Eine „kitschige“ Geschichte in Kitzbühel

Für Thomas Dreßen ist der 20. Jänner 2018 zum emotionalsten Tag seiner sportlichen Karriere geworden. Der 24-jährige Deutsche gewann am Samstag sensationell die Abfahrt auf der Streif und feierte damit seinen ersten Weltcup-Sieg. Bereits unmittelbar nach seiner Fahrt ließ er seinen Gefühlen freien Lauf und jubelte sich damit in die Herzen der Fans. „Es ist einfach nur ein richtig, richtig cooles Gefühl“, erklärte Dreßen.

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Bei der Siegerehrung im Zielraum schloss Dreßen die Augen und genoss den Moment, als erster deutscher Abfahrer seit Sepp Ferstl im Jahr 1979 die Abfahrt in Kitzbühel gewonnen zu haben. „Ich habe versucht, alles aufzunehmen, damit ich mich lange daran erinnere“, sagte der Sensationssieger. Ferstl war indes froh, endlich einen Nachfolger zu haben. „Gott sei Dank, dass ich jetzt mal abgelöst bin, weil das hältst du auf Dauer nicht aus“, sagte der 63-Jährige.

Emotion pur bei Dreßen

Der Jubel von Thomas Dreßen nach seiner Siegesfahrt im Zielraum der Streif war an Überschwänglichkeit kaum zu überbieten.

Nach dem Trubel am Nachmittag ging es ins Blitzlichtgewitter bei der Siegerehrung am Abend. Gemeinsam mit dem Schweizer Beat Feuz und Hannes Reichelt ließ sich Dreßen von den Fans feiern und genoss erneut, erstmals als Sieger im Rampenlicht zu stehen. „Es geht nicht kitschiger. Das ist unglaublich, dass das so funktioniert hat. Die Siegerehrung war der Wahnsinn, die Stimmung kann man mit nichts vergleichen“, strahlte Dreßen, der eine nächtliche Feier ankündigte. „Ich glaube das gehört auch dazu, denn wir opfern so viel über das ganze Jahr. Wenn wir uns so unserem Sport verpflichten, muss man auch feiern können, wenn man was gewinnt.“

Dreßen nutzt die Gunst der Stunde

Von klein auf hat Dreßen davon geträumt, ein Weltcup-Rennen zu gewinnen. Dass das ausgerechnet in Kitzbühel auf der schwierigsten Abfahrt der Welt klappte, hatte vielleicht auch etwas Schicksalhaftes. Denn Dreßen profitierte von seiner hohen Startnummer 19, die ihm die in der Weltrangliste vor ihm platzierten Reichelt und Aleksander Aamodt Kilde überlassen hatten. Der Deutsche kam dabei in den Genuss guter Sichtverhältnisse, da die Sonne herausgekommen war.

„Als ich aus dem Starthaus rausgeschaut habe, habe ich gedacht, die Sicht ist jetzt nicht so schlecht gerade. Die Fahrt an sich war mit Sicherheit auch recht gut“, sagte Dreßen, der erst zum vierten Mal in seiner Karriere die Streif bewältigte. „Erfahrung braucht man hier mit Sicherheit, das ist klar. Ich habe einfach probiert, mich auf mein Skifahren zu konzentrieren und meine Leistung abzurufen“, erklärte Dreßen sein Erfolgsrezept für den überraschenden Triumph.

Jubel der Sieger

APA/EXPA/Johann Groder

Beat Feuz, Thomas Dreßen und Hannes Reichelt genossen die Siegerehrung

Reichelt gratuliert zu „Topleistung“

Reichelt wollte die Sichtverhältnisse nicht als Grund für den Ausgang des Rennens anführen. „Auf so einer Strecke, in dem Alter, ist das schon eine Topleistung“, lobte der Salzburger. „Die Trainer haben ihn sehr gut herangeführt an die Strecke. Dass er Ski fahren kann, steht außer Frage, aber du musst hier ein bisserl das Herz in die Hand nehmen, das hat er getan.“ Es heißt, dass die Streif eine Strecke für die Routiniers ist. „Ausnahmen bestätigen die Regel, Thomas hat alles über den Haufen geworfen“, sagte Reichelt dazu.

Vor den Weltcup-Rennen in Garmisch-Partenkirchen könnte es laut Reichelt auch keine bessere Werbung für den deutschen Skisport geben. „Super, ich glaube, dass so etwas unserem Sport gewaltig gut tut. Ein Deutscher gewinnt in Kitzbühel, das wird sicher einige nach Garmisch locken. Für unseren Sport generell ist das so, so wichtig“, sagte der Salzburger.

Auch Feuz zieht den Hut vor Dreßen

Als Reichelt seine Startnummer wählen durfte, waren noch eins, 17 und 19 offen. Er entschied sich für die Eins, der Norweger Kilde für die 17 und für Dreßen blieb die 19 übrig. „Es hätte auch genau anders laufen können. Wenn ich das vorhersehen würde, würde ich nicht Ski fahren, sondern Lotto spielen, dann würde ich so auch mein Geld verdienen“, meinte Reichelt. „Thomas ist ein guter Typ, er hat alles ausgenutzt, was ihm die Sonne geboten hat. Aber er ist genial Ski gefahren, so eine feine Klinge. Solche Leistungen respektiert man.“

Die Siegesfahrt von Dreßen

Mit Startnummer 19 liefert Thomas Dreßen eine Sensationsfahrt und kürt sich in 1:56,15 Minuten zum ersten deutschen Streif-Sieger seit Sepp Ferstl 1979.

Auch Feuz, für den es ebenfalls der erste Sieg in Kitzbühel gewesen wäre, zollte Dreßen und seiner Fahrt Respekt. „Für mich ist die Sonne zum falschen Zeitpunkt rausgekommen, aber es war trotzdem ein fantastischer Tag. Es hatten neben Thomas auch noch andere Leute Sonne, aber die haben es weniger genutzt. Für mich persönlich war nicht viel mehr möglich. Ich bin überglücklich mit meiner Fahrt. Wenn einer schneller war, dann Hut ab. Das muss man einsehen und gratulieren“, erklärte der Weltmeister aus der Schweiz.

Enge Verbundenheit mit Österreich

Wie Feuz ist auch Dreßen mit einer Österreicherin liiert und hat seit Anfang Jänner seinen Hauptwohnsitz in Scharnstein bei Gmunden. Oberösterreich ist nicht das einzige österreichische Bundesland, zu dem es einen starken Konnex gibt. Dreßen besuchte sowohl die Skihauptschule Neustift als auch das Skigymnasium Saalfelden. In Tirol ereignete sich das traurigste Kapitel seiner Lebensgeschichte, worüber schon viel berichtet worden ist.

Als Dreßen elf Jahre alt war, kam sein Vater in Sölden bei einem Unfall ums Leben. Damals verlor ein Hubschrauber genau über einer Seilbahngondel einen 750 Kilogramm schweren Betonkübel. Dirk Dreßen, der zu dem Zeitpunkt eine Schülergruppe betreute, war einer von neun Menschen, die starben. „Das ist mir durch den Kopf gegangen“, sagte Dreßen im Moment seines Triumphs. „Aber besonders möchte ich auch meiner Mama danken. Hätte die mich nicht so unterstützt und wäre die nicht so hinter mir gestanden, wäre ich jetzt nicht da. Der Dank geht nicht nur nach oben.“

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