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„Reds“ und Red Sox unter einem Dach

Der finanziell schwer angeschlagene englische Rekordmeister Liverpool, der derzeit auch sportlich in einem Tief ist und in der Premier League nur den drittletzten Platz einnimmt, hat nach längerer Suche am Mittwoch einen Käufer gefunden.

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Der Vorstand der „Reds“ stimmte in der Nacht auf Mittwoch einem Angebot des amerikanischen Unternehmens New England Sports Ventures (NESV) zu, dem unter anderem das Baseballteam Boston Red Sox gehört. „Ich bin froh, dass wir den Verkaufsprozess abschließen konnten“, sagte Liverpool-Vorsitzender Martin Broughton am Mittwoch. „Das Angebot von NESV hat unseren Kriterien am meisten entsprochen. Ihre Philosophie dreht sich ums Gewinnen, wie sie mit den Red Sox bewiesen haben.“

Kritik an Hicks und Gillett

Der Liverpool-Vorstand habe dem Gebot nach ausführlichen Gesprächen in Boston, London und Liverpool zugestimmt, sagte Broughton weiter. „Indem es die Last der Übernahmeschulden nimmt, erlaubt uns das Gebot, uns auf Investitionen in die Mannschaft zu konzentrieren.“ Einzelheiten zu den Finanzen teilte Broughton nicht mit, tadelte aber das Verhalten der Noch-Besitzer, der US-Unternehmer Tom Hicks und George Gillett. „Sie haben alles versucht, um das Geschäft zu verhindern.“

Die bisherigen Besitzer des FC Liverpool, George Gillett und Tom Hicks

Reuters/Phil Noble

Die bisherigen Besitzer haben ausgelacht.

Die bei Liverpool-Fans mittlerweile verhassten Hicks und Gillett hatten den Verein Anfang 2007 für rund 218 Millionen Pfund (251 Mio. Euro) übernommen, den Kauf aber ausschließlich mit Schulden finanziert. Als Hicks und Gillett den Verein im April für 600 Millionen Pfund wieder zum Kauf anboten, beliefen sich die Verbindlichkeiten auf 351,4 Millionen Pfund. Die beiden Unternehmer versuchten den Verkauf bis zuletzt mit der Begründung zu verhindern, das NESV-Angebot sei zu niedrig.

Schulden werden am 15. Oktober fällig

Nach britischen Medienberichten zahlt NESV rund 300 Millionen Pfund (346 Millionen Euro) - genug, um die größten Bankschulden und -gebühren von 280 Millionen Pfund (323 Millionen Euro) an die mittlerweile in Staatsbesitz befindlichen Royal Bank of Scotland auszulösen, die Ende nächster Woche fällig sind. Die Übernahme bedarf noch der Zustimmung der englischen Premier League.

In der Premier League ging es mit Liverpool zuletzt steil bergab. Die „Reds“ erreichten in der vergangenen Saison nur Rang sieben, was zur Trennung von Trainer Rafael Benitez führte. Nach einem enttäuschenden Saisonstart unter dem neuen Trainer Roy Hodgson steht Liverpool als Drittletzter aktuell sogar auf einem Abstiegsplatz.

Hicks und Gillett präsentierten bei ihrer Ankunft hochtrabende Pläne und wollten unter anderem ein neues Stadion hinstellen. Doch das Duo entpuppte sich rasch als Abziehbild von Malcolm Glazer. Der US-Amerikaner hat Manchester United seit 2005 im Alleinbesitz, dem profitablen Club die Rückzahlung seiner eigenen Schulden aufgehalst und damit ein riesiges Finanzloch von derzeit rund 850 Millionen Euro beschert.

Was kommt jetzt?

„Thanks but no Yanks“, lautete dann auch das Motto der Fan-Opposition, vor dem Stadion an der Anfield Road ging sogar die US-Flagge in Flammen auf. So erleichtert viele über den Abgang von Hicks und Gillett sein dürften, so steht ihnen nun aber eine neue Phase der Unsicherheit ins Haus. Denn noch sind die genauen Pläne des neuen starken Manns bei Liverpool, John W. Henry, nicht bekannt.

Dass der 61-jährige Selfmade-Multimillionär als Investmentbanker zu seinem Vermögen gekommen ist, US-Amerikaner ist und mit Fußball bisher nichts zu tun hatte, dürfte zahlreichen Fans neuerliche Schauer über den Rücken jagen.

Ein Blick auf Henrys Aktivitäten bei den Red Sox könnte die Zweifler freilich leichter schlafen lasen. Mit der Übernahme des traditionsreichen, aber seit 1918 ohne World-Series-Titel gebliebenen Vereins läutete Henry 2002 eine neue Ära ein, deren bisherige Höhepunkte die Titel 2004 und 2007 waren. Zudem zeigte der neue Eigentümer gegenüber der Clubgeschichte angemessenen Respekt: So blieb die historische, aber limitierte Spielstätte „Fenway Park“ unangetastet, dafür wurden andere Wege zur Profitmaximierung gesucht. Gerade in Englands Fußball kein unwichtiges Detail.

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