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„Katar, ... Katar, es ist Katar“

Als FIFA-Präsident Joseph Blatter den Umschlag öffnete und den Gewinner zur Ausrichtung der Fußball-WM für 2022 verkündete, vergaß der arabische Simultanübersetzer der Fernsehstation al-Jazeera kurz seine Aufgabe und schrie einfach nur noch „Katar, ... Katar, es ist Katar“ ins Mikrofon. Für diesen kurzen Moment war das kleine Emirat am Golf das größte Land der Welt.

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Überall brach Jubel aus, denn kaum jemand hatte damit gerechnet. Auch wenn das Geschrei und Gehupe der kleinen Menschenmengen in der Hauptstadt Doha zwischen den großen Wolkenkratzern fast etwas verschluckt wurde. „Es ist so verrückt, dass es sogar funktionieren könnte“, heißt in einem der Internetblog aus Katar.

Von überall kam es millionenfach: das arabische „Mabrouk“ – die Glückwünsche. Al-Jazeera hatte sie stundenlang auf dem Nachrichtenbanner am unteren Bildschirmrand laufen, von allen Ecken der arabischen Welt über Facebook, Twitter und Internetblogs stürzten sie auf das kleine Land nieder. Fußball ist überall in der arabischen Welt der Volkssport Nummer eins.

Zweischneidiges Schwert

Aber mit der Ausrichtung der Weltmeisterschaft ist es so ein Problem, denn die fußballerischen und finanziellen Möglichkeiten sind höchst ungleich verteilt. Die großen Fußballnationen wie Ägypten, Algerien und Tunesien haben nicht die Mittel, um eine WM auszurichten. Und die ölreichen Staaten am Golf haben keine besonders guten Teams.

Katar steht auf der Weltrangliste auf Platz 113. Aber die gestrige Entscheidung für Katar wurde eigentlich als Entscheidung für den gesamten arabischen Fußball verstanden. Wenngleich auch ein bisschen Neid zwischen den Zeilen zu lesen war. Gerade die Ägypter mit ihrer 7.000-jährigen Geschichte und als fünfmaliger Afrikameister im Fußball blicken gerne auf den kleinen neuen Minigolfstaat nieder, der weniger Einwohner hat als einer der Armenviertel Kairos.

Zeit und Geld im Überfluss

Zeit und Geld hat das Emirat genug. Erst in zwölf Jahren muss das Ganze stehen, und mit einem Wirtschaftswachstum von über 15 Prozent wird beim Bau der Stadien sicherlich nicht gespart werden. Die größte Herausforderung ist dabei die Hitze, die im Sommer, zur WM-Zeit, über 50 Grad erreichen kann.

Die überdachten Stadien sollen auf 27 Grad gekühlt werden. Um dabei nicht das Klima zu belasten, ein Thema, das 2012 ganz oben auf der internationalen Tagesordnung stehen wird, will Katar auf etwas anderes zurückgreifen, das es neben Geld im Überfluss besitzt – die Sonne. Solaranlagen sollen die Energieversorgung gewährleisten.

Und zumindest die Verbindungen zwischen den Stadien sind anders als im acht Zeitzonen umspannenden Russland, dem Gewinner für die WM 2018, kein Problem. Die Stadien in Katar liegen alle höchstens eine Stunde Fahrt voneinander entfernt und sollen per U-Bahn erreichbar sein, deren Bauauftrag an deutsche Firmen gehen soll.

Ein Fußballfest ohne Bier

Und noch eine Besonderheit hat Katar zu bieten. In der Ausschreibung zur WM hat das Emirat versprochen, nach der WM die Stadien abzubauen und an ärmere Entwicklungsländer zu verschenken. Bleibt eigentlich nur noch ein WM-Problem für das konservative islamische Land. Ein Fußballfest ohne Bier dürfte für viele der erwarteten 400.000 Gäste schwer vorstellbar sein.

Aber vielleicht erleben wir in zwölf Jahren tatsächlich die erste WM ohne besoffene grölende Fußballfans. Bei der Hitze ist es ohnehin besser, sich an stark gesüßten Tee und Wasser zu halten. Ansonsten kann man den Fans ja diesmal statt Vuvuzelas einfach massenhaft Wasserpfeifen in den jeweiligen Nationalfarben verkaufen. Die blubbern dann nur leise vor sich hin.

Karim El-Gawhary, ORF.at aus Kairo

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