Österreichs Herren wollen Revanche
Manfred Pranger mit der ersten und einzigen Goldmedaille im abschließenden Slalom und Benjamin Raichs Riesentorlauf-Silber haben bei der WM 2009 in Val d’Isere die Ehre der ÖSV-Herren gerettet. Und nach der Nullnummer bei Olympia im Vorjahr in Whistler brennen die Österreicher bei der WM in Garmisch-Partenkirchen erst recht auf Revanche.
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Vom Verletzungsteufel gebeutelt und dezimiert, aber noch nicht in die Knie gezwungen - das trifft nach der Abfahrtsunglücksserie und dem jüngsten WM-Aus für Marcel Hirscher auf die rot-weiß-rote Herren-Fraktion zu. Angeführt von Michael Walchhofer blasen die Speed-Asse bei der „Fast-Heim-WM“ im benachbarten Bayern zum Angriff auf die Konkurrenz. Und den Technikern ist ohnehin alles zuzutrauen, obwohl die Favoriten auch hier nicht aus Österreich kommen.
Wer holt Gold in Garmisch? ORF.at suchte mögliche Antworten auf die Frage der Fragen - und liefert vor der WM einen Prognoseblick durch die nüchterne, aber auch durch die allseits beliebte rot-weiß-rote Brille.

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Hannes Reichelt - ein heißer Tipp
Erstes Gold wird im Super-G vergeben
Hannes Reichelt sicherte sich mit seinem Sieg in Hinterstoder nicht nur das Ticket, sondern katapultierte sich auch gleich in den engsten Favoritenkreis für den Super-G. Der Weg zu Gold führt über Titelverteidiger Didier Cuche und „Power-Elch“ Aksel Lund Svindal (Bronze 2009). Der Schweizer verpatzte die Generalprobe am Samstag (19.), war aber in Lake Louise (5.), Beaver Creek (3.) und Kitzbühel (4.) vorne dabei. Der Norweger war Dritter in Kitzbühel und stand im Vorjahr beim Weltcup-Super-G auf der WM-Strecke auf dem Podest (3.).
Cuches Landsmann Carlo Janka zählt ebenso zu den Titelanwärtern wie der kroatische Weltcup-Dominator Ivica Kostelic (Sieger im Kitzbühel-Super-G). Im ÖSV-Team mussten der im Super-G-Weltcup noch führende Georg Streitberger und Mario Scheiber verletzungsbedingt die Segel streichen. Nun ruhen die Hoffnungen wieder einmal auf Walchhofer, der seine letzte WM bestreitet. Der Salzburger gewann in Gröden, kam aber in Hinterstoder nicht über Rang 13 hinaus.
Ganz anders Reichelt, der nun vor Selbstvertrauen strotzt. Und Romed Baumann hat in dieser Saison auch schon zwei fünfte sowie einen dritten Platz im Super-G vorzuweisen. Benjamin Raich, seit einer gefühlten Ewigkeit der ÖSV-Fixstern bei Großereignissen, beendete in Hinterstoder als Zweiter endgültig alle Spekulationen über seinen Startplatz im Super-G. „Benni Nationale“ kann zu jeder Tages- und Nachtzeit in jedem Rennen an jedem Ort der Welt in die Top Drei fahren. Das gleiche gilt für den als Partytiger berüchtigten Bode Miller - nur nicht zur Nachtzeit.
Alle gegen Cuche in der Abfahrt
Ein Schweizer Kraftpaket ist im Downhill derzeit das Maß aller Dinge. Nach seinen triumphalen Auftritten in Kitzbühel und Chamonix greift Cuche in Garmisch nach Gold. Bei seinen jüngsten Abfahrtshusarenritten wirkte der 36-jährige gelernte Fleischhauer unbesiegbar. Die „eigenen WM-Gesetze“ bringen aber nicht nur fünf Euro ins „Phrasenschwein“, sondern auch andere Speed-Asse ins Spiel.

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Der letzte WM-Akt für Michael Walchhofer soll ein krönender Abschluss werden.
Allen voran Walchhofer, der Abfahrtsweltmeister von St. Moritz 2003. An seine Doppelabfahrtssiege 2005 wird sich der erste Cuche-Verfolger im Downhill-Weltcup in Bezug auf Garmisch am liebsten erinnern. Doch auch die Ergebnisse in der laufenden Saison (Siege in Lake Louise und Bormio) geben Anlass zur Hoffnung, dass der 35-Jährige auf seine Karriere zum Abschluss das letzte i-Tüpfelchen setzt - vielleicht das vorletzte vor dem noch möglichen Sieg im Abfahrtsweltcup.
Wie Walchhofer will es auch Klaus Kröll wissen. Nach den Ausfällen von Hans Grugger und Scheiber ist der Wengen-Sieger der zweite ÖSV-Goldanwärter. Der 30-Jährige verfügt über die nötige Erfahrung und ist gut in Form. Baumann hat als drittbester Österreicher im Abfahrtsweltcup ebenso Außenseiterchancen wie Cuches in der Gesamtwertung drittplatzierter Landsmann Silvan Zurbriggen. Wer daneben Miller, Janka und Svindal bei einer WM-Abfahrt außer Acht lässt, ist selbst schuld. Janka holte 2009 in Val d’Isere Bronze - hinter dem kanadischen Sensationsweltmeister John Kucera und Cuche.

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Benni Raich hat in der Superkombi WM-Gold im Visier.
Raich fordert Kostelic in Superkombi
Kostelic dürfte sich zum Jahreswechsel vorgenommen haben, künftig alle Rennen zu gewinnen - nur so ist sein sensationeller Jänner zu erklären. Die Kombi-Weltcup-Kugel hat der trotz unzähliger Verletzungen immer wieder zurückgekommene Kroate nach den Erfolgen in Kitzbühel und Chamonix in der Tasche. In Garmisch zählt neben Titelverteidiger Svindal allen voran ÖSV-Ass Raich zu den Herausforderern des mit über 500 Punkten Vorsprung auf Zurbriggen designierten Gesamtweltcup-Siegers.
Zurbriggen besitzt in der WM-Superkombi ebenso Medaillenchancen wie Raichs „Backup“ Baumann, Janka und natürlich wieder Alleskönner Svindal. Der Norweger ist auch Titelverteidiger. In den erhofften Zweikampf um Gold zwischen Kostelic und Raich eingreifen könnte auch Miller. Der US-Amerikaner wird wie immer zielsicher an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn dahincarven - kommt er durch, ist Miller ein Kandidat auf den Titel.
Angriff auf Ligety im Riesentorlauf
Die Chancen, dass auf dem Siegespodest nach dem Riesentorlauf dieselben Läufer vertreten sind wie vor zwei Jahren in Val d’Isere, stehen nicht schlecht. Damals triumphierte Janka vor Raich und Ted Ligety - heuer ist der US-Amerikaner erster Anwärter auf Gold. Schon drei Siege (Beaver Creek, Val d’Isere und Alta Badia) feierte Ligety in dieser Saison, alle im Dezember. Bei der WM gehören der Schweizer Titelverteidiger und der Tiroler wieder zu seinen härtesten Konkurrenten.
Mit seinem Sieg bei der Generalprobe in Hinterstoder hat sich aber auch Philipp Schörghofer zum großen ÖSV-Herausforderer im Titelkampf aufgeschwungen. Für den verletzten Hirscher dagegen sind am Sonntag alle WM-Träume geplatzt. Dabei war der Salzburger vor Schörghofers Erfolg der beste ÖSV-Riesentorläufer des Winters. Der Franzose Cyprien Richard und Svindal, die Ex-aequo-Sieger von Adelboden, lauern unterdessen „im Hinterhalt“ auf ihre Chance.
Krönender Abschluss im Slalom
Pranger hat Österreichs Slalom-Equipe und letztlich das gesamte Herren-Team bei der WM 2009 mit seinem Goldlauf „herausgerissen“, nachdem Reinfried Herbst, Hirscher und Mario Matt im ersten Durchgang ausgeschieden waren. Gemeinsam mit Raich hätten sie auch heuer ein aussichtsreiches ÖSV-Quintett bilden sollen, das den Favoriten Jean-Baptiste Grange und Kostelic das Leben so schwer wie möglich macht.
Der Franzose gewann in Levi, Kitzbühel und Schladming, der Kroate siegte in Wengen sowie Adelboden und führt dank seiner Beständigkeit im Slalom-Weltcup. Nach dem Aus für Hirscher, der in Val d’Isere triumphiert hatte und zweimal aufs Stockerl gefahren war (Zweiter in Adelboden und Wengen), müssen es die anderen richten - unter anderem gegen den Zagreb-Sieger und zweimaligen Saison-Zweiten Andre Myhrer aus Schweden. Lokalmatador Felix Neureuther ist nicht gerade in Hochform, in der Heimat ist der WM-Vierte von 2009 aber auch keineswegs zu unterschätzen.
Österreich ist jedenfalls mit einem aus zumindest vier potenziellen Siegläufern bestehenden Team am Start und neben den Schweden sicher am ausgeglichensten besetzt. Frei nach dem Motto „Zumindest einer wird durchkommen“ darf die Skination weiter auf einen krönenden Abschluss der WM hoffen. Matt (2007) und Herbst (2008) kennen außerdem das Gefühl eines Slalom-Sieges in Garmisch.
Harald Hofstetter, ORF.at
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