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Nur eine kleine Kristallkugel für ÖSV

Der alpine Skiweltcup 2010/2011 ist seit Sonntag Geschichte. Die Saison war wie jedes Jahr von spannenden Rennen, aber auch brutalen Stürzen und schweren Verletzungen geprägt. Österreich darf mit gemischten Gefühlen auf das Skijahr zurückblicken. Einer sensationellen Vorstellung bei der Weltmeisterschaft steht ansonsten eine durchwachsene Bilanz gegenüber.

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Vor allem in den Disziplinenwertungen konnten die ÖSV-Athleten die wie immer hohen Erwartungen nicht erfüllen. Die Herren blieben erstmals seit der Saison 1995/1996 ohne Sieg in einer Spezialwertung. Die Damen bewahrten Österreich mit dem Sieg in der Slalomwertung durch Marlies Schild vor einer Kristall-Nullnummer. Die Herren gingen trotz elf Saisonerfolgen leer aus. Aber nicht nur die Bilanz der heimischen Athleten sorgte für Gesprächsstoff.

Gruggers Horrorsturz

Im Jänner bangte die Skiwelt um das Leben von Hans Grugger. Der Salzburger kam im Training für die Abfahrt von Kitzbühel beim Sprung in die Mausefalle schwer zu Sturz und kämpfte mit lebensbedrohlichen Kopfverletzungen gegen den Tod. Wie durch ein Wunder erholte sich der 29-Jährige nach seiner Notoperation im Rekordtempo und durfte das Spital bereits nach 57 Tagen wieder verlassen.

Hans Grugger wird verletzt abtransportiert

APA/Robert Parigger

Hans Gruggers Horrorsturz in Kitzbühel bewegte nicht nur Österreichs Skifans.

Nur eine Woche nach dem Horror von Kitzbühel stockte den Skifans auch beim Rennen in Chamonix der Atem. Gruggers Freund Mario Scheiber kam im Schatten des Montblanc ebenfalls schwer zu Sturz und musste mit dem Hubschrauber abtransportiert werden. Der 28-jährige Osttiroler hatte jedoch Glück im Unglück und erlitt bei seinem Unfall „nur“ eine Schulterverletzung.

Lange Verletztenliste

Der Verletzungsteufel schlug so wie in den vergangenen Jahren auch sonst in diesem Winter wieder gnadenlos zu. Vor allem die österreichischen Herren waren in dieser Saison vom Verletzungspech verfolgt. Mit Benjamin Raich und Marcel Hirscher mussten zwei große Hoffnungen im Gesamtweltcup vorzeitig die Segel streichen. Auch Georg Streitberger und vorübergehend Hannes Reichelt erlitten teils schwere Verletzungen. Trotzdem lobte Herren-Chef Mathias Berthold die Moral seiner Athleten, die es trotz der Ausfälle immer wieder ins Vorderfeld schaffte: „Andere Mannschaften würden nicht mehr existieren.“

Das Jahr der „Slalom-Queen“

Wer Slalom sagte, musste in dieser Saison auch Schild sagen. Die Salzburgerin war die uneingeschränkte Königin im Stangenwald. Bei sechs von neun Rennen stand Schild, die am 31. Mai ihren 30. Geburtstag feiert, ganz oben auf dem Podest. Nur beim Finale in Lenzerheide musste sie der Slowenin Tina Maze den Vortritt lassen, zweimal (Aspen, Flachau) „schenkte“ die „Slalom-Queen“ der Konkurrenz mit einem Ausfall den Sieg.

Marlies Schild

APA/EPA/Dominic Favre

Schilds Vorstellungen auf den Slalompisten waren zum Küssen.

Ihre Krönung erlebte die Torlaufkönigin mit Gold bei der Weltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen. „Mein größter Traum ist in Erfüllung gegangen. Das ist nur verrückt“, meinte die Salzburgerin damals. Der Blick ist bereits nach vorne gerichtet. Ab kommender Saison will Schild auch im Riesentorlauf wieder um Siege mitfahren.

Goldene Weltmeisterschaft

Schild war nur eine der strahlenden Siegerinnen in Rot-Weiß-Rot bei den Titelkämpfen in Deutschland. Die ÖSV-Damen holten vier von fünf möglichen Titeln. Elisabeth Görgl stellte mit Gold in Abfahrt und Super-G die Favoritinnen Maria Riesch und Lindsey Vonn klar in den Schatten. Anna Fenninger überraschte in der Super-Kombination und feierte den größten Erfolg ihrer jungen Karriere, Kathrin Zettel sorgte mit Silber im Slalom hinter Schild für einen ÖSV-Doppelerfolg.

Bei den Herren sorgten Reichelt mit Silber im Super-G und Philipp Schörghofer mit Bronze im Riesentorlauf für ein versöhnliches Saisonende des durch Verletzungen stark dezimierten Teams. Als gesamte Mannschaft eroberte der ÖSV Silber im Teambewerb. Im Medaillenspiegel hatte Österreich mit viermal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze klar die Nase vorn.

Durchwachsene Weltcup-Bilanz

Trotz der starken Vorstellungen bei der Weltmeisterschaft lief es im Weltcup für die heimischen Athleten nicht immer nach Wunsch. Mit 17 Siegen und 48 Podestplätzen bei Damen und Herren war der ÖSV zwar erneut die mit Abstand stärkste Mannschaft, hatte aber am Ende die schlechteste Bilanz der vergangenen zwölf Jahre zu Buche stehen. In der Rekordsaison 1999/2000 brachten es Österreichs Skiläufer auf 40 Siege und 107 Podestplätze – mehr als doppelt so viele wie heuer. Vor allem bei den Damen sah es im Weltcup, völlig konträr zur WM, mager aus. Einzig Schild besserte mit ihren sechs Slalomsiegen die Bilanz auf.

Walchhofers Abschiedstour

Michael Walchhofer, Österreichs bester Abfahrer der vergangenen Jahre, verabschiedete sich mit einer starken Saison in die selbst gewählte „Skipension“. Der Salzburger feierte in seinem letzten Jahr vier Siege und hatte bis zum Schluss sogar die Chance auf die kleine Kristallkugel im Abfahrtsweltcup. Auch wenn ihm der Schweizer Didier Cuche den Titel noch im letzten Augenblick wegschnappte, darf der 35-Jährige zufrieden zurückblicken.

Michael Walchhofer

GEPA/Oliver Lerch

Walchhofer sagte dem Skizirkus in Lenzerheide auf Wiedersehen.

Mit Rang fünf beendete er die Saison als bester Österreicher im Gesamtweltcup, auf Platz drei fehlten dem dreifachen Familienvater nur 66 Punkte. Mehr noch als seine Erfolge wird dem ÖSV-Team ab kommender Saison seine Funktion als Leitwolf fehlen.

Pfeifende Anzüge

Trotz durchwachsener Bilanz gaben Österreichs Athleten auf den Skipisten dieser Welt auch heuer im wahrsten Sinn des Wortes den Ton an. Bei der ersten Herren-Abfahrt im November im kanadischen Lake Louise, die mit einem österreichischen Doppelsieg endete, ließen angeblich „pfeifende“ Rennanzüge bei der Konkurrenz die Alarmglocken schrillen. Die Kleidung der ÖSV-Fahrer wurde daraufhin einer intensiven Prüfung unterzogen, eine Regelwidrigkeit konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Die ÖSV-Mannschaft und Cheftrainer Berthold nahmen die Sache mit Humor: „Wir werden jetzt aber trotzdem auf einmal wegen Lärmbelästigung am Hang belangt.“ Abfahrtscoach Andreas Evers meinte: „Vielleicht pfeifen unsere Fahrer ja, weil sie beim Skifahren so eine Freude haben.“

Karl Huber, ORF.at

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