Kritik an Kritikern
Im Skisprungzirkus ist nach der Vierschanzentournee wieder der Weltcup-Alltag eingekehrt - auch im ÖSV-Team. Nach dem fünften Tournee-Triumph eines Österreichers in Folge und zwei Tagessiegen konnte Cheftrainer Alexander Pointner zufrieden bilanzieren. Einziges Problem: Gregor Schlierenzauer gab den Alleinunterhalter. Die Vorstellung der restlichen ÖSV-Adler wurde dadurch großzügig kaschiert.
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Hinter Schlierenzauer klaffte bei der 61. Ausgabe der Tournee eine große Lücke. Andreas Kofler, immerhin zweifacher Saisonsieger, wurde von seiner Disqualifikation beim ersten Bewerb in Oberstdorf aus der Bahn geworfen. Auch die ehemaligen Tournee-Sieger Thomas Morgenstern und Wolfgang Loitzl leisteten sich während der Tournee Aussetzer. In der Gesamtwertung konnte man froh sein, dass Schlierenzauer mit Platz eins alles überstrahlte. Denn ansonsten sucht man einen ÖSV-Springer in den Top Ten vergeblich.
Nur vier Top-Ten-Plätze
Kofler scheint als zweitbester ÖSV-Springer auf dem für ihn enttäuschenden 15. Platz auf, Morgenstern und Loitzl rangieren auf den Plätzen dahinter. Auch in den Tageswertungen war Rot-Weiß-Rot unter den ersten zehn Plätzen mit Ausnahme von Schlierenzauer nur wenig vertreten. Vier Top-Ten-Plätze abseits des Tirolers sind eine für ÖSV-Verhältnisse magere Bilanz. „Ich leide mit Sportgrößen wie Morgenstern, Kofler und Loitzl, wenn sie nach dem ersten Durchgang ausscheiden. Das wertet man als Niederlage“, sagte Pointner. „Ich habe trotzdem jeden Tag genossen.“

GEPA/Thomas Bachun
Kofler vergriff sich zuerst beim Anzug und sprang später hinterher
Nur der letzte Bewerb in Bischofshofen gibt Hoffnung auf einen Anstieg der Formkurve. Vor allem Youngster Stefan Kraft gab eine erste Duftmarke im Weltcup ab. Rang drei im dritten Weltcup-Springen kann sich sehen lassen. Morgenstern holte sich mit Rang sechs auf seiner Lieblingsschanze Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben. Von einer Krise wollte Pointner ohnehin schon vor dem letzten Bewerb nichts wissen: „Es gibt so Phasen, wo nicht alles zusammenläuft.“
Eigene Stärken forciert
Hart ins Gericht ging der Trainer mit allen Kritikern, die den Österreichern in Sachen Material Aufholbedarf und Nachlässigkeit unterstellten. Vor allem die Diskussion über das neue Schuhwerk der wiedererstarkten Norweger nach den Siegen von Anders Jacobsen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen brachte Unruhe ins heimische Lager. „Es muss einmal bewusst werden, was wir für Dinge haben, die andere nicht haben“, sagte Pointner.
Der Tiroler fühlte sich an das Theater rund um die Bindung des Schweizers Simon Amann bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver erinnert. Damals sorgte ein gekrümmter Bindungsstab für Aufregung bei der Konkurrenz. Diesmal habe man sich laut Pointner aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und sich auf die eigenen Stärken besonnen. „Wir haben in diesen Bereich viel investiert und viel trainiert“, so der ÖSV-Trainer zur mentalen Stärke seiner Springer.
„Materialkrieg“ regt auf
Zu viel mit dem Material beschäftigten sich hingegen die deutschen Springer. Der zweifache Saisonsieger Severin Freund und seine Kollegen spielten in der Tournee-Wertung, obwohl mannschaftlich mit drei Springern in den Top Ten deutlich besser als die ÖSV-Springer, keine Rolle. DSV-Trainer hatte das Abschneiden seiner Schützlinge auch auf einen „Materialkrieg“ an der Spitze zurückgeführt.
Vor allem die neue Anzugsregelung - die Berufsbekleidung der Springer muss in dieser Saison am Körper anliegen, maximal zwei Zentimeter Spielraum sind erlaubt - ist immer wieder Thema der Diskussion. „Die Athleten verwenden viele Anzüge in einer Saison, man muss nachjustieren“, sagte auch der norwegische Trainer Alexander Stöckl. Dass gerade in Sachen Anzüge auch ab und zu Verfolgungswahn bei der Konkurrenz auftritt, weiß auch Stöckl.
Seinen Springern war vorgeworfen worden, sich mit einer speziellen Naht im Schrittbereich einen Vorteil verschafft zu haben. „Das ist Blödsinn, das stimmt nicht“, so Stöckl. Nachjustieren bei den Anzügen sei während der Tournee notwendig, „weil die Athleten teilweise rund ein Kilo verlieren. Das merkt man, und da muss man nachschneidern“, so der norwegische Trainer.
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