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Heimspiel 1.000 Kilometer entfernt

Schachtjor Donzek stellt sich dem FC Bayern München am Dienstag zum Auftakt der bis zum 18. März dauernden Achtelfinal-Phase der Champions League entgegen. Schon die erste Partie in der Ukraine, wo Schachtjor tausend Kilometer westlich vom kriegsgebeutelten Donezk in Lwiw spielt, verspricht ein Offensivspektakel zu werden. Die Bayern haben mit 16, die Ukrainer mit 15 Toren in den Gruppenspielen überzeugt.

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Noch dazu hat sich der deutsche Rekordmeister am Samstag mit einem 8:0-Heimtriumph über den Hamburger SV warmgeschossen. „Ich bin froh, dass wir wieder zu unserem Spiel gefunden haben“, betonte Bayern-Trainer Josep Guardiola, der nun personell wieder mehr Alternativen zur Verfügung hat. So gibt ÖFB-Legionär David Alaba sein Champions-League-Comeback, nachdem er am 5. November des Vorjahres im Finish des 2:0-Heimsieges gegen AS Roma mit einer Knieverletzung ausgeschieden war.

Arjen Robben und David Alaba (Bayern) jubeln

APA/EPA/Andreas Gebert

Alaba wieder an der Seite des momentan in Hochform agierenden Robben

Die Langzeitverletzten Philipp Lahm, Javi Martinez und Thiago Alcantara fehlen den Münchnern allerdings weiterhin. Schachtjor wiederum muss auf den angeschlagenen Brasilianer Bernard und den gesperrten Taras Stepanenko verzichten. Man muss zudem einen Kaltstart hinlegen, ist es doch das erste Pflichtspiel für den ukrainischen Champion nach zweimonatiger Winterpause.

„Surreale“ Situation belastet Köpfe

Seit 35 Jahren hat der Club aus Donezk, der aufgrund der Kriegsunruhen in der Ostukraine nun im Westen des Landes in Lwiw (Lemberg) spielt, nicht mehr gegen einen deutschen Club gewonnen. Brasiliens Teamspieler Luiz Adriano, der in der Gruppenphase mit neun Toren für Schlagzeilen gesorgt hat, ist trotzdem zuversichtlich, dass Schachtjor die Bayern schlagen kann. „Wir haben viel analysiert, um ihre Schwächen zu finden“, verriet der Stürmer. „Unser Ziel ist ein Sieg. Wir sind niemals mit einem Remis zufrieden, auch nicht gegen Bayern.“

Für die Münchner ist das Match jedenfalls nicht wie jedes andere. Nicht nur Trainer Guardiola sprach von einer „komischen Situation“, Weltmeister Thomas Müller bezeichnete es als „surreal“, im Ausweichspielort gegen einen Club anzutreten, dessen Heimat in einem Kriegsgebiet liegt. „Man fährt da nicht hin und schaltet alles aus“, sagte Arjen Robben trotz der aktuellen Feuerpause. „Das ist schon im Kopf. Wir sind zwar Fußballspieler, aber zuallererst Menschen.“ Und Fußball ist nicht gerade das, was die Leute in der krisengeplagten Ukraine gerade zum Leben benötigen, auch nicht im mehr als 1.000 Kilometer von Donezk entfernten Lwiw.

Bayern-Fokus auf das Sportliche

„Die UEFA hat entschieden, dass wir da spielen, wo wir jetzt spielen. Das haben wir zu akzeptieren“, so Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge. Immerhin mache die Waffenruhe den heiklen Ausflug ein Stück entspannter: „Wir sind alle zufrieden, dass dieser Waffenstillstand ausgehandelt worden ist.“ Guardiola zeigte sich in erster Linie „besorgt über die Situation der Leute, die in der Ukraine leben“. Für sie hofft er auf eine rasche Besserung der Umstände.

Die Bayern beschränken den Ukraine-Trip auf das Nötigste. Das Abschlusstraining wurde am Montag in München absolviert - auch der zuletzt angeschlagene Xabi Alonso war dabei. Nach dem Spiel geht es per Charterflieger direkt zurück - geplante Landung in München um 2.15 Uhr. Für Kapitän Bastian Schweinsteiger geht es trotz der ungewöhnlichen Bedingungen in erster Linie darum, einen Job zu erfüllen. „Die Situation dort ist anders, aber wir haben ein Spiel. Darauf muss die Konzentration liegen“, sagte auch Kollege Holger Badstuber.

Rummenigge rückte die sportlichen Ziele in den Blickpunkt. „Wir wollen dort ein Ergebnis erzielen, das uns die Tür aufmacht, dass wir das Viertelfinale erreichen“, sagte der Bayern-Boss und ergänzte: „Die Champions League geht mit dem Achtelfinale, dem K.-o.-System richtig los.“ Das 8:0 gegen den Hamburger SV gibt Rückenwind. Aber Übermut hat es nicht ausgelöst. „Das wird ein ganz anderes Spiel“, warnte Robert Lewandowski. „Wir sind bei den letzten 16 Mannschaften in Europa, das sagt schon genug“, meinte auch Robben, Bayerns derzeit wertvollster Akteur. „Die sind sehr gefährlich“, sagte der Niederländer über die mit 13 Brasilianern gespickte Mannschaft des ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow.

Unberechenbare und hochkarätige Legionärstruppe

Die schnellen Brasilianer um Stürmer Luiz Adriano, mit neun Treffern führender „Königsklassen“-Torschütze, seien „sehr gefährlich bei Kontern“, sagte Robben und mahnte: „Wir müssen unsere Leistung bringen, sonst wird es nichts.“ Bayern-Coach Guardiola kennt Schachtjor bestens, fünfmal hat er mit dem FC Barcelona gegen den Serienmeister der Ukraine gespielt. „Sie spielen seit Jahren mit der gleichen Idee, mit einer überragenden Innenverteidigung und überragenden brasilianischen Offensivspielern“, so Guardiola.

Die sportliche Form und mentale Verfassung des Gegners sind dennoch nicht einzuschätzen. Erst Ende des Monats wird in der Ukraine die Meisterschaft fortgesetzt. In der Winterpause tourte das Team durch Brasilien und Spanien, der Feinschliff erfolgte in Kiew. „Natürlich ist Bayern Favorit, aber im Fußball ist alles möglich“, sagte Trainer Mircea Lucescu vor dem Heimspiel, das für den Serienmeister der Ukraine in Wahrheit keines ist.

Die Bayern wollen schon auswärts möglichst viel klarmachen. „Es wäre gut, wenn wir gewinnen“, sagte Lewandowski. Guardiola hat durch die rechtzeitigen Comebacks von Alaba, Franck Ribery, Badstuber und Rafinha wieder mehr Auswahl in Abwehr und Angriff. Auch Alonso und Jerome Boateng, die bei der Torgala gegen den HSV angeschlagen bzw. gesperrt gefehlt hatten, stehen wieder zur Verfügung. Alonso könnte ausgerechnet in einem Land im Ausnahmezustand sein 100. Champions-League-Spiel bestreiten.

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