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Von Wien aus in die weite Fußballwelt

Weiße Sandstrände gesäumt von Palmen, türkisfarbenes Meer und eine Jahresdurchschnittstemperatur von 28 Grad - das ist Curacao. Die 444 Quadratkilometer und knapp 150.000 Einwohner zählende Karibik-Insel ist ein wahres Paradies und der aktuelle Arbeitsplatz von Patrick Kluivert. Seit März 2015 ist der 39-Jährige Teamchef von Curacao.

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Dass Kluivert nun die Auswahl des Geburtslandes seiner Mutter trainiert, hatte seinen Ausgangspunkt 20 Jahre davor. Damals öffnete dem Stürmer ein Tor die Tür zu einer großartigen Karriere. Im letzten Champions-League-Finale im Wiener Ernst-Happel-Stadion am 24. Mai 1995 erzielte der damals 19-Jährige beim 1:0-Sieg von Ajax Amsterdam gegen den AC Milan in der 85. Minute das Siegestor und sorgte damit für den bisher letzten großen Titel des Traditionsclubs.

Kluivert 1995

AP/Luca Bruno

Milan-Kapitän Franco Baresi kommt zu spät, Patrick Kluivert trifft zum Sieg

„Es hat sicher meine Karriere beschleunigt, aber ich habe auch andere wichtige und schöne Tore geschossen“, merkte Kluivert gegenüber dem Fußballmagazin 11Freunde an. Insgesamt erzielte der Niederländer für Ajax in 100 Spielen 52 Tore. Im Nationalteam waren es 39 in 70 Partien. Im Jahr 2000 krönte er sich mit fünf Treffern zum EM-Torschützenkönig. Erst im Oktober 2013 wurde er von Robin van Persie als Rekordtorschütze der „Elftal“ abgelöst.

„Die haben Ronaldo, wir haben Kluivert“

Dabei war Kluiverts früher Karrierebeginn der Entscheidung eines anderen Jungstars zu verdanken. Im Sommer 1994 suchte Ajax einen neuen Stürmer. Ganz oben auf der Wunschliste stand ein Brasilianer mit dem Namen Ronaldo. Der spätere Weltstar wechselte jedoch lieber zum Rivalen PSV Eindhoven. Der damalige Trainer Louis van Gaal nahm es nicht weiter tragisch und sprach die legendären Worte: „Die haben Ronaldo, aber wir haben Patrick Kluivert.“

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Der 18-Jährige war für viele ein unbeschriebenes Blatt. Doch Van Gaal sollte Recht behalten. Kluivert, der die Talenteschmiede von Ajax durchlief und damit von Jugend an mit der taktischen Ausrichtung vertraut war, bestätigte sein herausragendes Talent und feierte mit dem Club zahlreiche Erfolge. Sein größter Triumph war dabei der Sieg im CL-Finale gegen den AC Milan.

Probleme in Gruppenphase gegen Salzburg

Bereits in der Gruppe D waren die Finalgegner aufeinandergetroffen. Während sich Ajax zweimal mit 2:0 durchsetzte, mussten sich die Niederländer gegen Austria Salzburg mit einem 0:0 auswärts und einem 1:1 im Heimspiel begnügen. Salzburgs Führungstor erzielte Tomislav Kocijan. Im Viertelfinale setzte sich Ajax gegen Hajduk Split (0:0, 3:0) durch. Im Semifinale wurden die Bayern nach einem 0:0 in München mit einem 5:2-Heimtriumph aus dem Weg geräumt.

Milan zog über Benfica Lissabon und Paris SG ins Endspiel ein. Mit Stars wie Franco Baresi, Alessandro Costacurta, Paolo Maldini, Roberto Donadoni, Marcel Desailly und Zvonimir Boban gespickt, wollten die Mailänder ihren Titel, den sie 1994 mit einem 4:0-Sieg über den FC Barcelona geholt hatten, verteidigen. Ajax hatte aber die perfekte Mischung aus Routiniers wie Frank Rijkaard, Jari Litmanen und den Brüdern Ronald und Frank de Bour sowie Jungstars der Marke Edgar Davids, Clarence Seedorf und Kluivert.

Mit dem Spitz zu Weltruhm

Letzterer stand allerdings im Finale nicht in Van Gaals Startelf. „Ich bin bis zur 68. Minute auf der Bank gesessen und sah die Uhr runterticken. Ich spürte aber, dass in dem Spiel noch etwas möglich war“, erinnert sich Kluivert. Sein Gefühl sollte den Mittelstürmer nicht trügen. Nur 16 Minuten nach seiner Einwechslung schoss der „Joker“ die Amsterdamer zum Triumph.

Der aufgerückte Rijkaard sah eine Lücke in der Milan-Abwehr und spielte durch. Kluivert nahm sich den Ball mit links mit und verschaffte sich damit etwas Luft. Boban konnte den Niederländer nicht vom Ball trennen, Baresis Rettungsversuch kam zu spät, und Kluivert spitzelte den Ball vorbei an Milan-Goalie Sebastiano Rossi ins kurze Eck. Beim darauffolgenden Jubel drehte Kluivert sein Dress im Laufen um und präsentierte stolz seine Nummer 15.

Kluivert, Van Gaal

AP/Cesar Rangel

Ab 1998 waren Van Gaal und Kluivert beim FC Barcelona wieder vereint

Starke Zeit bei Barcelona

Danach holte Ajax noch den UEFA Supercup und den Weltpokal. Der Name Kluivert war im Weltfußball ein Begriff. „In der ersten Zeit danach verspürte ich einen immensen Druck und hatte das Gefühl, dass immer alle Augen auf mich gerichtet waren. Aber ich kam damit ziemlich gut zurecht“, sagte Kluivert, der nur wenige Monate nach dem CL-Triumph mit überhöhter Geschwindigkeit einen Autounfall in Amsterdam verursachte, bei dem ein Mann ums Leben kam.

1997 wechselte Kluivert zu Milan, wo er allerdings sportlich nie wirklich ankam und nach nur einer Saison beim FC Barcelona unterschrieb. Bei den Katalanen lief es wesentlich besser. Von 1998 bis 2004 erzielte er in insgesamt 228 Spielen 109 Tore und holte 1999 den Meistertitel. Die weiteren Stationen waren Newcastle United, FC Valencia, PSV Eindhoven und OSC Lille. Aufgrund von Verletzungen konnte Kluivert, der auch immer wieder durch nächtliche Eskapaden Schlagzeilen machte, aber nicht mehr an seine frühere Form anschließen. 2008 beendete Kluivert seine Karriere eher unrühmlich.

Kluivert

GEPA/Fotoarena/Andre Chaco

Irgendwann in der Zukunft gibt es vielleicht den Bondscoach Kluivert

Curacao als „schöner Zwischenschritt“

Danach machte Kluivert den Trainerschein und wurde 2012 Assistent von Bondscoach Van Gaal. Nach Platz drei bei der WM 2014 in Brasilien folgte der Lockruf aus Curacao. Die Erfolge bei seinem ersten Engagement als Cheftrainer können sich sehen lassen. Nach einem 1:1 in Kuba (Hinspiel 0:0) zog Curacao in die dritte Runde der Nord- und Mittelamerika-Qualifikation für die WM 2018 ein. Bis zur Gruppenphase der Quali mit den großen Teams des Kontinents müssen aber noch zwei Runden geschafft werden.

Auch wenn das Leben auf der Karibik-Insel für Kluivert laut eigenen Angaben „nicht gerade schwer“ ist, möchte er nicht auf Curacao stranden. Ein Posten als Cheftrainer bei einem Club würde Kluivert in Zukunft gefallen. „Aber jetzt ist nicht die Zeit, ich halte mir alle Möglichkeiten offen“, sagte Kluivert gegenüber der Zeitung „De Volkskrant“. Vorerst genießt Kluivert die Vorzüge der karibischen Traumkulisse in vollen Zügen: „Mir gefällt es hier gut. Es ist ein schöner Zwischenschritt.“

Christian Wagner, ORF.at

Champions League 1994/95

Finale am 24. Mai 1995:

Ajax Amsterdam - AC Milan 1:0 (0:0)

Wien, Ernst-Happel-Stadion, 49.730 Zuschauer, SR Craciunescu (ROU)

Tor: Kluivert (85.)

Ajax Amsterdam: Van der Sar - Reiziger, Blind, Rijkaard, F. de Boer - Seedorf (54./Kanu), Davids - Litmanen (69./Kluivert) - R. de Boer, George, Overmars

AC Milan: Rossi - Panucci, Baresi, Costacurta, Maldini - Donadoni, Desailly, Albertini, Boban (86./Lentini) - Massaro (90./Eranio), Simone

Gelbe Karten: Blind, Overmars

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