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Richtungsweisende Partie in Belgrad

Im Jahr 1717 hat Feldherr Prinz Eugen eine viel besungene Brücke über die Donau geschlagen, um Belgrad zu erobern. Das ÖFB-Team kann 299 Jahre danach am Sonntag gegen Serbien (20.45 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) mit einem Sieg in Belgrad die Brücke zur WM 2018 ein großes Stück weiterbauen. Der von Teamchef Marcel Koller erhoffte „Dreier“ erfordert jedoch wieder eine gut gewählte Rezeptur.

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Nach zwei Spieltagen ist man in Gruppe D von einer Vorentscheidung um den Sieg noch weit weg. Die schon bei der Auslosung ausgemachten Favoriten auf Platz eins - Wales, Österreich, Serbien und Irland - halten bei vier Zählern. Einzig die nominellen Außenseiter aus Georgien und Moldawien sind nach zwei Runden sieg- und punktelos. Daher hat das Spiel in Belgrad gegen Serbien richtungsweisenden Charakter. „Es ist wichtig, dass man auch auswärts einen Dreier einfährt, wenn man oben dabei bleiben will“, sagte Teamchef Marcel Koller.

Mögliche Aufstellung Österreich

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Aufstellung Österreich

Grobe Veränderungen in der Startelf sind jedenfalls nicht zu erwarten. „Wir werden sicher nicht alles auf den Kopf stellen“, so Koller, der bereits vor dem Abflug Erwartbares preisgab. Allerdings kann Torhüter Robert Almer nach seiner Muskelverhärtung im Bein nicht spielen. Ersatzmann ist Leverkusen-Legionär Ramazan Özcan, der schon die letzte halbe Stunde gegen Wales zum Einsatz gekommen war.

ÖFB: Koller über das Serbien-Spiel

Im Idealfall will das ÖFB-Team am Sonntag gegen Serbien gewinnen. Wie das gelingen soll, erklärt Teamchef Marcel Koller im ORF-Interview.

Wales-Spiel als Blaupause

Schon gegen Wales hätte Koller gerne einen „Dreier“ gehabt, am Donnerstag musste man sich aber mit einem 2:2 begnügen. Dennoch sehen der 55-Jährige und seine Spieler die Leistung gegen den EM-Semifinalisten als perfekte Blaupause für das Duell mit Serbien. „Serbien spielt das gleiche System wie die Waliser. Das war ein guter Test für uns“, sagte Verteidiger Aleksandar Dragovic. Sprich: Eine Abwehr mit drei Innenverteidigern, attackiert wird allerdings mehr über die Seiten.

Für Florian Klein muss man am Erfolgsrezept ebenfalls wenig ändern. Was gegen den walisischen Superstar Gareth Bale gut klappte, soll auch gegen Serbien zum Erfolg führen. „Es wird wichtig sein, dass wir so wie gegen Wales Situationen nicht nur eins gegen eins lösen, sondern eher schon zu zweit oder zu dritt die Räume eng machen. Wenn wir das umsetzen, dann haben wir schon ziemlich gute Chancen“, sagte der Stuttgart-Legionär. Teamchef Koller geht von einer engen Partie aus: „Es werden Kleinigkeiten entscheiden und ich hoffe, dass eine Kleinigkeit zu unseren Gunsten ausfällt.“

Serbische Schlüsselspieler eindämmen

Allzu viel Raum sollte man vor allem den serbischen Schlüsselspielern nicht geben. Allen voran Dusan Tadic. Der Offensivmann, der bei Southampton in der englischen Premier League sein Geld verdient, war bei bisher allen fünf serbischen Toren in der WM-Qualifikation als Schütze oder Assistent beteiligt. Dazu heißt es auch, auf Filip Kostic und Aleksandar Kolarov, Letzterer Profi bei Manchester City, aufzupassen. Hinten ist Kapitän Branislav Ivanovic vom FC Chelsea der Fels in der Brandung. „Wir wissen über ihre individuelle Tätigkeit Bescheid“, sagte Kapitän Julian Baumgartlinger.

Auch für Klein sind die Serben qualitativ besser aufgestellt als Wales, wo Bale der Dreh- und Angelpunkt im Spiel ist. „Es ist bei den Serben etwas mehr verteilt, man kann es nicht auf gewisse Spieler reduzieren“, sagte der 29-jährige Oberösterreicher. Teamchef Koller erwartet sich jedenfalls einen reschen Beginn der Gastgeber. „Die Serben werden sicher versuchen, Druck zu entwickeln. Da gilt es, frech und mutig zu sein. Und wir müssen die Räume nützen, die sich uns bieten werden“, sagte der Schweizer, der auch einige Schwächen ausgemacht haben will. Welche, wollte er allerdings nicht verraten.

Fakten zum Spiel: Marktwert

Mit 146 Millionen Euro liegt der Gesamtmarktwert der serbischen Mannschaft knapp über jenem des ÖFB-Teams (136 Mio.). Wertvollster Spieler ist in Abwesenheit des gesperrten Chelsea-Akteurs Nemanja Matic Stürmer Dusan Tadic (17 Mio. Euro). Der Southampton-Legionär drückte dem Spiel der Serben bisher seinen Stempel auf. Er war in der laufenden WM-Quali an allen fünf Toren beteiligt.

Auf Auswärtsstärke vertrauen

Vor dem Gang zum Aufwärmen sollten sich die österreichischen Spieler auch noch einmal die jüngste Statistik in Auswärtsspielen zu Gemüte führen. Denn wenn die kein Selbstvertrauen gibt, was dann. Die letzten acht Spiele in einer WM- und EM-Qualifikation wurden allesamt gewonnen, seit 13 Qualispielen ist man ungeschlagen. Die bis dato letzte Pleite einer ÖFB-Auswahl auf fremden Rasen in einem Pflichtspiel - EM-Endrunde ausgenommen - datiert vom 11. Oktober 2013. Fast auf den Tag genau vor drei Jahren verlor Österreich in Schweden mit 1:2.

Die ÖFB-Kicker sehen jedenfalls keinen Grund, warum diese Serie nicht auch in Belgrad weitergehen soll. „Man hat gesehen, wenn wir kompakt auftreten wie gegen Wales, dann werden wir zu unseren Chancen kommen“, sagte Klein und verwies auch auf das Auftaktspiel gegen Georgien, wo man trotz durchwachsener Leistung die erhofften drei Punkte einfahren konnte. Aber: „Dass die Wahrscheinlichkeit größer ist, wenn wir gut spielen, ist auch klar.“ Für Dragovic ist eine gute Leistung ein Muss, um aus Serbien irgendetwas Zählbares mitzunehmen: „Wir müssen alles in die Waagschale werfen, damit wir ein gutes Resultat erzielen.“

Stimmung ausblenden

Das Rajko-Mitic-Stadion von Belgrad, wo normalerweise Roter Stern seine Gegner empfängt, wird im Volksmund nicht nur aufgrund seiner schüsselartigen Beschaffenheit als „Marakana“ bezeichnet. Ähnlich wie im brasilianischen Original sorgt auch die Stimmung im Belgrader Pendant für Gänsehautfeeling. Davon konnten sich einige ÖFB-Kicker 2009 überzeugen, als 55.000 Zuschauer den Gästen ordentlich einheizten.

Die gute Nachricht: Ein derartiger „Hexenkessel“ ist am Sonntag eher nicht zu erwarten. Denn die Misserfolge der jüngeren Vergangenheit haben die serbische Liebe zum Fußball-Nationalteam deutlich abkühlen lassen. Basketball oder Wasserball - das ist im Moment der ganze Stolz der serbischen Sportnation. Mit 20.000 Zuschauern wäre man gegen Österreich schon zufrieden. Ein Vorteil für das ÖFB-Team? „Auswärts ist eine ruhigere Atmosphäre schon angenehmer“, erklärt Kapitän Baumgartlinger, „aber die Rahmenbedingungen sollten immer egal sein.“

Die Rahmenbedingungen können aber auch in einem halbgefüllten „Marakana“ durchaus heiß sein. Denn, wenn die serbischen Fans einmal in Fahrt sind, dann steigt über Belgrad schnell Rauch auf, wie ein Freundschaftsspiel von Partizan Belgrad gegen PAOK Saloniki im nur zwei Steinwürfe von der Rajko-Mitic-Arena entfernten Partizan-Stadion am Samstagabend bewies. Übrigens: Ein österreichischer Sieg wäre nicht nur ein wichtiger Schritt Richtung WM, sondern auch schon fast historisch. Der letzte Erfolg gegen ein Team bestückt mit Serben liegt 52 Jahre zurück. Damals war Belgrad noch die Hauptstadt Jugoslawiens.

Karl Huber, ORF.at, aus Belgrad

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