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CL-Finalcoup gegen überlegene Bayern

Jahrelang hat der FC Chelsea als reichster Fußballclub in Europa gegolten. Mit dem Geld des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch versuchte der Verein von der Londoner Stamford Bridge, die Konkurrenten aus Manchester, Madrid, Barcelona, München und Mailand auszustechen - bis zum 19. Mai 2012 vergeblich. Doch dann gelang der große CL-Coup ausgerechnet gegen die Bayern ihn ihrem „Finale dahoam“.

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Im schwierigsten Jahr der Ära von Abramowitsch, der die „Blues“ 2003 übernommen hatte und seither über eine Milliarde Euro in den Club investierte, wurde die ersehnte Krönung realisiert. Die klar überlegenen Bayern gingen zwar in der 83. Minute durch Thomas Müller in Führung, doch Didier Drogba schaffte nach einem Eckball den späten Ausgleich (88.). Im Elferschießen setzten sich die Londoner dann mit 4:3 durch. „Der Fußball und das Leben sind manchmal unvorhersehbar und verrückt“, sagte Roberto di Matteo.

Der Italiener, der erst im März nach dem Rauswurf von Andre Villas-Boas zum Interimstrainer aufgestiegen war, führte das alternde Team um John Terry (31), Frank Lampard (33), Ashley Coley (31) und Didier Drogba (34) innerhalb von zehn Wochen aus dem Tief und zum größten Triumph in der Clubgeschichte. Der 42-Jährige wurde danach zum Chefcoach befördert, musste aber Ende November nach einer Negativserie in der Premier League und dem historischen Scheitern in der CL-Gruppenphase seinen Sessel schon wieder räumen.

Didier Drogba (Chelsea) läuft mit dem CL-Pokal in den Händen

APA/EPA/dpa/Marcus Brandt

Didier Drogba drehte mit dem CL-Pokal als Steuer gleich mehrere Ehrenrunden

Kein schöner, aber erfolgreicher Stil

Davor schaffte Chelsea mit einem zweckorientierten Stil und auch einer Portion Glück den Einzug ins Finale, denn die „Blues“ standen in der CL-Saison 2011/12 nicht nur einmal vor dem Aus. Im Achtelfinale gegen Napoli setzten sich die Engländer nach einer 1:3-Pleite im Hinspiel im Rückspiel nach Verlängerung noch mit 4:1 durch. Im Halbfinale vergab Barcelona eine Unzahl von Chancen - etwa durch Superstar Lionel Messi, der einen Elfmeter an die Latte und einen weiteren Schuss an die Stange setzte. Auch im Finale waren die Bayern das klar bessere Team.

Von schrecklich bis unansehnlich reichten die international geäußerten Attribute für Chelseas Spielsystem. „Ein Team mit einem ranzigen Parfum und einer 20 Jahre alten Spielart hat es so weit gebracht“, befand das spanische Sportblatt „As“. Dennoch solle man die Teams aufgrund ihrer Kapazität beurteilen, ihr Potenzial maximal auszunutzen. „Dieser Stil ist nicht in Mode, ist jedoch genau so zweckmäßig wie der Minimalismus der 90er Jahre.“

Jubel von Chelsea-Coach Roberto Di Matteo

dapd/AP/Kerstin Joensson

Roberto di Matteo herzte den im Finale gesperrten Kapitän John Terry

„Der Besitzer hat an uns geglaubt“

Abramowitsch genoss den Moment des größten Erfolges völlig unglamourös. Er saß in der Allianz Arena auf einer Mauer und freute sich vor sich hin. „Eine neunjährige Odyssee ist zu Ende gegangen“, schrieb die englische Zeitung „Daily Mail“. „Der Besitzer hat an uns geglaubt, Hut ab vor ihm und den Spielern“, sagte Terry, der wegen einer Roten Karte in München nicht spielen, die Trophäe aber in Empfang nehmen durfte.

Am nächsten Tag wurde dann das Team mit einer Parade in den Straßen der englischen Hauptstadt gefeiert. Umjubelter Held dabei war Drogba, der erstmals in seiner Karriere ein großes Finale gewonnen hat und sich am Ende der Saison nach China verabschiedete. „Mein Ausgleich hat das Spiel geändert. Das Leben ist fantastisch. Ich glaube sehr an das Schicksal. Das ist schon lange vorher geschrieben worden“, sagte Drogba, der auch den letzten Elfer verwandelte. „Didi did it!“, titelte deshalb „The Sun“.

Chelsesa-Fans bei Parade in London

Reuters//Paul Hackett

Ausnahmezustand im Londoner Stadtteil Chelsea

Die Bayern in Schockstarre

In den Niederungen der Gefühlsskala bewegten sich indes die Bayern. Ohne ÖFB-Jungstar David Alaba, der im Halbfinale gegen Real Madrid seine zweite Gelbe Karte gesehen hatte und daher für das Finale gesperrt war, verpassten die Münchner ihren großen Traum und fielen danach regelrecht in Schockstarre. „So bitter. Fußball kann grausam sein“, erklärte ein niedergeschlagener Torschütze Müller, nach der aufgrund der Überlegenheit völlig unnötigen Niederlage.

„Was für ein Krimi: Verballert, verloren. Nein, Nein, Nein! Bayern hat das Finale in der Champions League verloren! Haushoch überlegene Bayern unterliegen ‚dahoam‘ dem FC Chelsea, weil Robben in der Verlängerung und Olic und Schweinsteiger im Elfmeterschießen verschießen. So traurig, so unglaublich unverdient. ... Unverdient, einfach nur unverdient“, konnte es die „Bild am Sonntag“ nicht fassen.

Bayern Munichs Präsident Uli Hoeneß

APA/EPA/Tobias Hase

Nach dem Finale hatte Bayern-Boss Uli Hoeneß den Tunnelblick

„Noch brutaler und überflüssiger“ als 1999

Die Bayern vergaben damit nach Meisterschaft, DFB-Cup und CL-Finale gleich alle drei Titelchancen und blieben in der zweiten Saison in Serie ohne Pokal. Vor allem Arjen Robben, der in der Verlängerung einen Elfer vergeben hatte, und Bastian Schweinsteiger, der im Elferschießen gescheitert war, waren nach dem Finale gegen Chelsea völlig apathisch.

Für Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge war die Pleite noch enttäuschender als jene in Barcelona 1999 gegen Manchester United. „Noch brutaler und überflüssiger. Das tut unglaublich weh“, sagte Rummenigge. „Das ist ein absoluter Alptraum. Entsprechend ist die Stimmung in der Kabine. Das ist wie ein schlechter Film. Wir waren die klar bessere Mannschaft“, erklärte Sportdirektor Christian Nerlinger, der nach der Saison von Matthias Sammer abgelöst wurde.

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