Manchester City feiert surrealen Triumph
26. Mai 1999, Camp Nou: Manchester United gewinnt durch Tore in der Nachspielzeit von Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solsjkär das Champions-League-Finale mit 2:1 gegen Bayern München. Fast genau 13 Jahre später ereilte nun United am 13. Mai 2012 das Bayern-Schicksal und ein Rendezvous mit dem bittersten aller Gefühle: einen Titel nur um Sekunden verpasst zu haben.
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Punktegleich mit Manchester City an der Spitze hatten die „Red Devils“ mit einem 1:0-Sieg gegen Sunderland ihre Pflicht erfüllt. Die „Citizens“ lagen indes 1:2 gegen die Queens Park Rangers in Rückstand, ehe die Nachspielzeit im Etihad-Stadion alles auf den Kopf stellte und bei Fans, Spielern und Clubführung im roten und blauen Lager für ein Wechselbad der Gefühle sorgte. Edin Dzeko (92.) und Sergio Agüero (94.) schossen City auf den letzten Drücker dank der um acht Treffer besseren Tordifferenz aber noch zum ersten Meistertitel seit 44 Jahren.

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Das Premier-League-Finale 2011/12 war wahrlich zum Verrückt werden
„Die bösen Geister sind vertrieben“
Nach 38 Spielen in neun Monaten wurde die Liga im dramatischsten Finale aller Zeiten auf surreale Weise entschieden, entsprechend überschlugen sich auch die Schlagzeilen der englischen Zeitungen. „Paradise City“, titelte „The Guardian“. „Die bösen Geister der letzten 44 Jahre sind vertrieben“, erklärte der „Daily Mirror“. „Mancinis verrücktes Team nutzte die allerletzten Sekunden“, umschrieb die „Times“ die knappste Titelentscheidung seit der Saison 1988/89.
Damals hatte Arsenal nur aufgrund der höheren Anzahl der erzielten Tore die Nase vor Liverpool. Für die United-Spieler wurden indes die Sekunden nach ihrer Partie zur Ewigkeit. „Noch während unser Spiel gelaufen ist, habe ich die Nachricht erhalten, dass City den Ausgleich geschossen hat. Nach Schlusspfiff ist es absolut ruhig im Stadion geworden, jeder hat gewartet. Als dann die Fans von Sunderland aufgeschrien haben, wussten wir, dass City den Titel geholt hat“, schilderte United-Verteidiger Rio Ferdinand die bangen Minuten.

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Uniteds Phil Jones und David de Gea erhalten die Nachricht von Citys Siegestor
„Bitte nie wieder auf diese Art“
Knapp 225 Kilometer entfernt spielten sich ganz andere Szenen ab. Dort kletterten Fans, die aufgrund ihrer Enttäuschung beim Spielstand von 1:2 bereits vorzeitig das Spiel verlassen hatten, über Mauern zurück ins Stadion, um doch noch an der rauschenden Meisterfeier teilnehmen zu können. „Ich würde sagen, dass das der beste Moment unseres Lebens ist. Aber wenn ich ehrlich sein darf, bitte nie wieder auf diese Art“, war City-Kapitän Vincent Kompany völlig fertig von den Ereignissen.
Der Belgier hatte seine Hoffnung, das Spiel noch zu drehen, nie aufgegeben und glaubte bis zuletzt noch an den Titel. „Es gab keinen Grund, nicht daran zu glauben. In Manchester sind schon immer Wunder passiert. Diesmal eben auf dieser Straßenseite“, erklärte Kompany. Auch Coach Roberto Mancini war von den Ereignissen mitgenommen. „Das war echt hart. Ein verrücktes Finale in einer verrückten Saison. So etwas habe ich noch nie erlebt“, erklärte der Meistermacher.
45 Millionen Euro haben sich ausgezahlt
Der Mann, der all das ermöglichte, war Agüero. Das 23. Saisontor des Argentiniers ließ die Stimmung auf dem Rasen und auf den Tribünen förmlich explodieren. „Ich bin unglaublich glücklich. Ich kann das alles selbst noch nicht glauben. Der Titel war ja schon verloren. Hoffentlich ist das der Beginn von etwas Großem“, stammelte Agüero, der mit seinem Treffer die Ablösesumme von 45 Millionen Euro an Atletico Madrid zu einer goldrichtigen Investition machte.
Der Schwiegersohn von Diego Maradona wurde nach seinem Treffer unter einer blauen Jubeltraube begraben. „Er ist auf dem Boden gelegen und hat geweint. Bei allen Burschen sind die Tränen wie in Strömen geflossen. Dass so starke Persönlichkeiten ihre Emotionen so offen zeigen, sieht man wirklich nicht oft“, beschrieb Kompany die Szenen nach dem Siegestreffer. „Er ist ein unglaublicher Spieler. In den wichtigsten Momenten tritt er in Erscheinung“, lobte Pablo Zabaleta seinen Landsmann.

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Das Lächeln für das Titelfoto ist Coach Mancini sicher nicht schwergefallen
„City steht vor einer großen Zukunft“
Die Investitionen von über einer Milliarde Euro seit der Übernahme durch Scheich Mansur bin Sajed al-Najhan haben sich nun ausgezahlt und zumindest für eine Saison die Rangordnung in Manchester gedreht. „Wir haben uns gegen ein starkes Team wie United durchgesetzt und damit die Geschichte unseres Clubs geändert. Nach diesen 44 Jahren widme ich den Titel den Fans. Was passiert ist, ist unglaublich, eigentlich unmöglich“, erklärte Mancini.
Für den 47-jährigen Italiener kam der Gewinn der Meisterschaft und das Abschütteln des ewigen United-Komplexes genau zur richtigen Zeit, um die immensen Ausgaben der letzten drei Jahre zu rechtfertigen. „Es war wirklich wichtig, diesen Titel zu gewinnen. Manchester City steht dadurch vor einer großen Zukunft. Wir haben zum zweiten Mal in Serie die wenigsten Tore bekommen und diesmal auch die meisten geschossen. Ich hoffe, wir können weiter gewinnen, aber dafür müssen wir uns weiter verbessern“, erklärte Mancini, nicht ahnend, dass sein Team in der nächsten CL-Saison abermals in der Gruppenphase scheitern sollte.

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Trotz verlorener Meisterschaft sieht Ferguson nicht das Ende einer Ära
Ferguson gratulierte dem Rivalen
Am anderen Ende der Emotionsskala fand sich indes Manchester United wieder. Vor der letzten Runde war die Hoffnung auf den Jubiläumstitel nur noch geringer Natur. Umso bitterer war es, dass dann das unverhoffte Gefühl der gewonnenen Meisterschaft noch ein so brutales Ende fand. „Das war eine grausame Art, den Titel zu verlieren. Dreimal haben wir den Titel bereits am letzten Spieltag gewonnen, diesmal eben knapp nicht“, erklärte United-Coach Alex Ferguson.
Der 70-jährige Schotte erwies sich aber auch in der Stunde der Niederlage als Sir und gratulierte City zum Titel. „Stellvertretend für Manchester United möchte ich unserem Nachbarn Glückwünsche aussprechen. Die Premier League zu gewinnen ist eine fantastische Leistung. Das zu schaffen ist nicht leicht. Es ist die härteste Liga der Welt, und jedes Team, das am Ende vorne ist, hat es auch verdient“, sagte Ferguson.
„City wird 100 Jahre brauchen“
Mit der Leistung seines Teams in dieser Saison ist der Langzeitcoach aber mehr als zufrieden. „Mit 89 Punkten hätte man in vielen anderen Ligen den Titel geholt. Wir hatten viele Verletzungen in dieser Saison, haben das aber sehr gut weggesteckt“, sagte Ferguson, der die verlorene Meisterschaft auch als guten Lernprozess für seine jungen Spieler sieht. „Diese Erfahrung ist gut für sie, auch wenn es eine negative ist.“
Die Sorge, dass City nun United in Manchester den Rang ablaufen könnte, hat Ferguson nicht. „Wir haben eine an Titeln reiche Geschichte, besser als jeder andere. City wird 100 Jahre brauchen, um so ein Geschichte wie wir zu haben“, richtete Ferguson dem Stadtrivalen aus. „Für uns ist das jetzt eine richtige Herausforderung, und wir sind gut in Herausforderungen.“
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