24 Stunden in Spielerhänden
Ab Mittwoch herrscht in der National Hockey League (NHL) wieder das Play-off-Fieber. Für die Spieler geht es um mehr als nur Ruhm und Ehre. Denn wer den begehrten im Jahr 1892 gestifteten Stanley Cup gewinnt, darf für 24 Stunden damit treiben, was er will - sehr zum Leidwesen der silbernen Trophäe.
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Als Lord Arthur Frederick Stanley, der damalige Generalgouverneur von Kanada, die silberne, 18 cm hohe Schale stiftete, hatte er sicher nicht jenen Kult im Sinn, der heute um den Pokal betrieben wird. Umgerechnet 50 Dollar investierte der Gouverneur für den in London hergestellten Pokal, der heute hinter Panzerglas zu bewundern ist. Verliehen wird eine detailgetreue Kopie mit den Namen der Siegerteams und aller ihrer Spieler. Anders als die Pokale etwa im American Football und im Basketball wird der Stanley Cup nicht jedes Mal neu hergestellt, sondern verbleibt ein Jahr beim Sieger.

AP/The Canadian Press/Steve White
Die originale Silberschale, gestiftet von Lord Stanley, in Toronto
Versenkt und vergessen
Auch wenn es in letzter Zeit modern war, Siegestrophäen fallen zu lassen, kein Pokal hatte im Laufe seiner Geschichte mehr zu ertragen als der auf ein fast einen Meter hohes Monstrum aus Schale und fünf Ringen gewachsene Stanley Cup. Die Anekdoten von diversen Meisterfeiern füllen ganze Seiten. So versuchten 1905 die Mitglieder der siegreichen Ottawa Senators den Cup, damals noch in Originalgröße, über den Rideau Kanal der kanadischen Hauptstadt zu kicken.
Ein Versuch, der gründlich misslang. Der Cup wurde erst am nächsten Morgen aus dem zugefrorenen Kanal geborgen. 1924 vergaßen Spieler der Montreal Canadiens den Pokal nach einem Reifenwechsel auf dem Gehsteig, nachdem sie ihn dort abgestellt hatten, um den Ersatzreifen aus dem Kofferraum zu holen. Im Zuge von Meisterfeiern wurde der Cup auch schon mehrmals in diversen Swimmingpools, etwa von Pittsburgh-Legende Mario Lemieux, versenkt.
Stanley Cup als Fressnapf
Die Tradition, jedem Spieler des siegreichen Teams den Pokal für einen Tag zu überlassen, bescherte dem Stanley Cup nicht nur Reisen auf den Moskauer Roten Platz, die geografische Grenze zwischen Europa und Asien oder eine Achterbahnfahrt in den Universal Studios. Bryan Trottier von den New York Islanders war einer von vielen, die zugaben, mit dem Stanley Cup im Bett geschlafen zu haben: „Ich wollte einfach am Morgen daneben aufwachen, ich wollte nicht nur davon träumen.“

AP/CTK/Dan Krzywon
Viele Spieler (Bild: Pavel Kubina) nehmen den Cup mit auf eine Lokaltour
NHL-Legende Mark Messier nahm die Trophäe einst mit in einen Stripclub, um neben Frauen „auch etwas anderes berühren zu können“. Mit dem Cup wurde nicht nur geschlafen, sondern auch daraus gegessen. So benutzte Martin Brodeur, Torhüter der New Jersey Devils, die Schale für sein Popcorn. Clark Gillies von den New York Islanders ließ gar seinen Hund aus der silbernen Trophäe fressen.
Stanley und die Kinder
Auch das Pferd Go for Gin, Sieger des Kentucky-Derbys 1994, durfte dank einiger Spieler der New York Rangers den Pokal als Futtertrog benutzen. Nicht nur einmal wurde der Stanley Cup auch als Taufbecken zweckentfremdet. So ließ etwa Tomas Holmström von den Detroit Red Wings seine Tochter über dem Pokal taufen. Auch Sylvain Lefebvre, einst Verteidiger bei den Colorado Avalanche, benutzte den Cup als Taufbecken für seinen Nachwuchs.
Dass Kinder in Kombination mit dem Stanley Cup nicht immer die beste Idee sind, musste Kris Draper einsehen. Die neugeborene Tochter des Verteidigers der Detroit Red Wings erledigte ihr großes Geschäft in der silbernen Schale und zwang ihren Vater damit zu einer intensiven Reinigungsaktion. Draper nahm die Sache aber gelassen und benutzte den Cup wenig später zum Beweis der Sauberkeit als Trinkgefäß.
Karl Huber, ORF.at
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